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Frauen ansprechen ist keine Männersache: Empowerment zählt auch beim Daten #genderdatinggap

Empowerment kommt von Power, aber die geben wir Frauen allzu oft ab im Datinggame. Warum es Zeit wird, dass nicht mehr nur Männer Frauen ansprechen, sondern wir selbst den ersten Schritt wagen. Ein Kommentar.

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Na, schon Pläne für Valentinstags-Date? Wir haben die passenden Outfits. Foto: Getty / Westend61

Männer müssen Frauen ansprechen, denn wenn Frauen Männer ansprechen, wirkt das verzweifelt. Also müssen wir Frauen brav warten, bis uns der Prinz auserwählt. Ungefähr so liest es sich in einem Datingratgeber aus dem letzten Jahrhundert. Leider ist der Ratschlag nicht dortgeblieben, sondern hat sich bis ins Jahr 2021 durchgemogelt.

Auch ich bin ihm nicht entkommen: Als frischgebackene Tinderella habe ich es nach ein paar Versuchen nämlich ebenfalls aufgegeben, Männer anzuschreiben. Zu selten kam eine Antwort. Nicht gerade emanzipiert, so wie das gesamte Datinggame. Wie uns die Datingregeln unserer Großeltern das Kennenlernen versauen …

Unter dem #Genderdatinggap möchte ich aktuelle Studien, Trends und Beobachtungen aus der Datingwelt von Millennials und Gen Z genauer unter die Lupe nehmen. Den Anstoß dazu hat mir das Hörbuch „Der Gender-Dating-Gap und die Liebe“ von Anne-Kathrin Gerstlauer gegeben. Darin beschreibt sie ihre Erfahrungen als starke Single-Frau auf dem hetereosexuellen Datingmarkt. Spreche ich also von Frauen oder Männern in diesem Artikel, dann beziehe ich mich nur auf heterosexuelle Singles.

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Frauen ansprechen ist keine Männersache: Empowerment zählt auch beim Daten #genderdatinggap

Empowerment kommt von Power, aber die geben wir Frauen allzu oft ab im Datinggame. Warum es Zeit wird, dass nicht mehr nur Männer Frauen ansprechen, sondern wir selbst den ersten Schritt wagen. Ein Kommentar.

Männer sprechen Frauen an, nicht umgekehrt!

Ich erinnere mich an eine Silvesterparty vor einigen Jahren: Den ganzen Abend habe ich verschmitzte Blicke mit einem Typen ausgetauscht und am Ende saßen wir zusammen mit einer Flasche Bier im Bällebad. Keiner von uns hatte Anstalten gemacht, Nummern auszutauschen.

Erst als ich gehen wollte, fiel er aus allen Wolken und bat mich zu bleiben. „Ey, du hattest jetzt den ganzen Abend Zeit dafür!“ Meine leicht genervte Antwort konterte er mit: „Ja und? Du doch auch?“ Und was soll ich sagen: Er hatte absolut recht!

Es brauchte diesen Abend, damit ich mir selbst darüber bewusst wurde, dass ich seit Jahren einer Datingregel folgte, die ich schon damals lächerlich fand: Männer sprechen Frauen an, nicht umgekehrt. Obwohl die Regel schon lange existiert, wurde sie 1995 durch den Dating-Guide The Rules von Ellen Fein und Sherrie Schneider noch einmal populär.

Im Zuge der Emanzipation würde vermutlich kein Millennial zugeben, dass diese Regel heute noch gilt, aber folgen tun wir ihr trotzdem oft. Warum? Bei mir war es Bequemlichkeit. Es fühlt sich schlecht an, jemanden abzuweisen, aber noch schlechter abgewiesen zu werden. Jetzt, da ich selbst oft den ersten Schritt mache, weiß ich das. Aber es steckt noch sehr viel mehr dahinter.

Warum Frauen Abstriche machen, wenn sie Männer nicht ansprechen

Warum sollten wir diese Regeln ändern, wenn wir doch als Frauen in der Entscheidungs- und Machtposition sind? Weil der Schein trügt. Durch ein Experiment, später als Gale-Shapley Algorithmus benannt, konnte gezeigt werden: Der initiierende Partner endet mit dem bestmöglichen Ergebnis, der passive Partner mit dem schlechtmöglichstem. Das trifft nicht nur auf Ehen zu, sondern auch Schulzulassungen oder Jobbewerbungen.

Das heißt nicht, dass alle Frauen, die nicht den ersten Schritt gemacht haben, in unglücklichen Beziehungen stecken. Aber als passive Teilnehmerinnen des Datinggames werden uns oft die Chancen auf den bestmöglichen Partner genommen. Wie wollen wir wissen, ob der Traumtyp sich für uns interessiert, wenn wir ihn nicht fragen? Ein weiterer Vorteil an der Rolle der Initiatorin ist auch, dass Frauen dadurch lernen, ihren (Selbst)wert in einer Beziehung zu erkennen.

Sollte also jede Frau auf Biegen und Brechen den ersten Schritt machen? Nein, schon aus Gründen der Fairness. Wir wollen das Spiel ja nicht umdrehen. Für mich habe ich entschieden, dass immer dann den ersten Schritt mache, wenn ich es sonst bereuen würde. Bekomme ich dann einen Korb, habe ich trotzdem alles gegeben und muss dem Typ nicht ewig hinterherschmachten. Bei lockeren Flirts hingegen lasse ich mich von der Situation leiten.

  • Psychotrick für Schüchterne: Ein Experiment von 2011 zeigte, dass Frauen öfter den ersten Schritt beim Dating machten, wenn sie das Gefühl hatten, die Kontrolle über ihr Leben zu haben. Eine einfache Erinnerung an eine solche Situation reichte schon, um den Mut zum Ansprechen zu finden.
Tinder Tipps Date sitzt zusammen und lacht
Wer initiiert das erste Date? Bisher sind es häufiger die Männer. Foto: imago images/Westend61

Auch Männer wollen nicht immer zuerst Frauen ansprechen

Klar, die Seite des Initiators bringt auch negative Aspekte mit sich. Zum einen ist das die mögliche Ablehnung, aber auch die mögliche „Blamage“ in der Öffentlichkeit. Dass Männer per se Frauen ansprechen sollen, erzeugt viel Druck. Besonders bei schüchternen Männern. Und man möchte natürlich auch nicht als Creep abgestempelt werden.

Es führt aber auch zu einem anderen Effekt, den man besonders beim Onlinedaten beobachten kann: Männer probieren erst und selektieren danach. Frauen machen es umgekehrt. Ein Teufelskreis entsteht: Männer stumpfen ab und erweitern ihre „Zielgruppe“, damit sie am Ende des Tages wenigsten eine positive Reaktion bekommen. Frauen registrieren das, nehmen viele Flirtversuche nicht ernst und schätzen sie auch nicht, denn er macht das ja sicher noch bei 20 Anderen.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen sich in meinen Augen viele Dinge verändern: Frauen müssen proaktiver werden. Männer sollten ihre Datingstrategien überarbeiten und selektiver vorgehen. Und auf beiden Seiten muss eine höhere Wertschätzung für den Akt des Ansprechens geschaffen werden. Denn der erste Schritt ist nicht wertlos, liebe Frauen und auch nicht verzweifelt, liebe Männer. Tipps zum Ansprechen von Männern gibt es hier.

Frau auf dem Sofa mit smartphone
Ist Online-Dating progressiver als das echte Leben? Foto: Delmaine Donson Getty Images Signature via Canva.com

Kann Online-Dating den Teufelskreislauf durchbrechen?

Wie alle jungen Leute war ich auf Dating-Apps wie Tinder, Bumble, OkCupid und Co. unterwegs und habe mich durch Stapel an möglichen neuen Partnern gewälzt. Und mit jedem Match wuchs mein Selbstbewusstsein, sodass ich immer öfter die Männer angeschrieben habe. Und ich bin nicht allein.

Frauen schreiben Matches öfter an bei Tinder

Eine Studie auf Tinder zeigte, dass Frauen sogar öfter ihren Matches zuerst schreiben als Männer: Mit Fake-Profilen matchten die Forschenden alle Singles in der Umgebung und warteten auf eine Nachricht.

Nur 7 % der Männer haben zuerst geschrieben, aber 21 % der Frauen. Männer schrieben insgesamt trotzdem mehr, weil sie mehr matchen. Frauen hatten weniger Matches, schrieben diese aber öfter an. Sehr spannend, obwohl meine Erfahrung meistens eher negativ war, wenn ich den ersten Schritt machte.

Haben Frauen mehr Erfolg, wenn sie zuerst schreiben?

Anne-Kathrin Gerstlauer ging es genauso. Sie zitiert eine Studie von eHarmony, die unsere Erfahrungen untermauert: Schreiben Frauen zuerst, dann wird 15 % häufiger nicht geantwortet als bei Männern. Aber einen Moment mal, eHarmony ist für unsere Generation (Gen Y und Z) nicht wirklich aussagekräftig. Ist das also eher ein Problem der Gen Xer und Boomer?

Es gibt da nämlich viele weitere Studien wie die des US-amerikanischen Dating App-Marktführers OkCupid, die das Gegenteil zeigen: Hier haben Frauen mehr als doppelt so viele Antworten bekommen, wenn sie ein Gespräch gestartet haben wie Männer. Aus jeder ersten Nachricht wurde bei Männern in 12 % der Fälle ein Date, bei Frauen sind es 30 %.

Mach dir gern selbst dein Bild zu den Studien. Für mich zeigen sie aber einen Wandel, der längst überflüssig war und innerhalb der Generationen stattfindet. The Rules wurde nicht für Millennials geschrieben, um im Sandkasten jemanden aufzureißen, sondern für Gen Xler, die sich einen Millionär angeln wollten.

Und wenn ich meine eigenen Erfahrungen noch einmal prüfe, dann stimmen die Zahlen von Tinder. Ich bin es als Frau einfach nur nicht gewohnt, öfter eine Abfuhr oder keine Antwort zu bekommen. Selbst wenn es nur in 50 % der Fälle eine Absage wäre, wäre das für mich schon viel.

Psst: Eine Dating-App die das Problem anpackt ist Bumble, denn hier müssen Hetero-Frauen immer zuerst schreiben. Wie unsere Erfahrungen mit Bumble waren, erfährst du hier.

Date Café pärchen mann und frau
Frauen haben bessere Chancen auf ein Date als Männer, wenn sie zuerst schreiben. Foto: ti-ja / Foto: ti-ja /

Finden es Männer gut, wenn Frauen den ersten Schritt machen?

Und diese Frage ist der absolute Knackpunkt. Denn laut The Rules wollen Männer das nicht. Stattdessen wollen sie in ihr Steinzeit-Ich schlüpfen und mit der Keule in der Hand ein Weibchen aufspüren und jagen. Sich immer an unseren Steinzeit-Genen zu orientieren, ist aber längst nicht mehr die Universallösung und junge Männer beweisen es:

In einer externen (nicht auf der Plattform durchgeführten) Umfrage von Elitepartner gaben 85 % der unter 30-jährigen Single-Männer an, dass sie es gut finden, wenn Frauen den ersten Schritt machen.

Auch über mehr weibliche Initiative beim ersten Date, Kuss oder Sex sind Männer froh. Dem entgegen stehen leider die 57 % der unter 30-jährigen Frauen, die es bevorzugen, angesprochen zu werden. Aber wenn die restlichen 43 % öfter die Initiative ergreifen, sind wir auf einem guten Weg.

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Mehr zum Thema Dating gibt’s im wmn Podcast.

Fazit: Auf Augenhöhe braucht es keine Dating-Regeln

Datingregeln sind einfach und bequem. Sie sagen uns genau, was wir machen sollen und wir folgen. Aber sie basieren auf Gender-Klischees, die wir über Bord werfen sollten, denn sie schaffen gefährliche Machtungleichgewichte. Wenn wir es schaffen, sie zu überwinden, dann müssen nicht nur Männer Frauen ansprechen. Druck, Kontrolle und die Überwindung werden geteilt.

Und das Beste: Wir können uns von dämlichen Vorurteilen verabschieden, die Frauen als Schlampen abstempeln, wenn sie aktiv werden und Männer als Loser, wenn sie eine Abfuhr bekommen. Solche Vorurteile zeigen ohnehin nur die Unsicherheit und den geringen Selbstwert der Mobber.