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Expertin: Wir sollten alle in einer offenen Beziehung leben

Eine offene Beziehung kommt für dich nicht infrage? Eine Paartherapeutin erklärt, was mit dem Begriff wirklich gemeint ist & wieso sie überzeugt ist, dass jedes Paar davon profitieren würde.

offene Beziehung
Wären wir in einer offenen Beziehung wirklich glücklicher? Foto: Getty Images/ Halfpoint Images

Sind wir Menschen für monogame Liebesformen gemacht? Es gibt Stimmen, die sich darüber nicht wirklich sicher sind. Daher stellt sich die Frage, ob wir in einer offenen Beziehung dann nicht unbeschwerter wären, so ganz ohne Zwang und ohne Tabus? Warum uns dieses Beziehungsmodell laut einer Paartherapeutin glücklicher macht, erfährst du in diesem Artikel.

Paar, Streit, Fremdgehen verzeihen
Bei euch ist der Wurm drin? Versucht es doch mal mit einer offenen Beziehung. Foto: Pexels/ Cottonbro

Offene Beziehung: Löst das Modell unsere Probleme?

Eifersucht, sich eingeengt fühlen, Fremdgehen … Das alles sind Probleme in Beziehungen, die ebenjene nicht selten zum Scheitern verurteilen. In einer offenen Beziehung hat man dahingehend weniger Stress. Die Fronten sind geklärt, Eifersucht gibt es nicht und fremdgehen ist praktisch nicht möglich, weil erlaubt. Naja, so einfach ist es dann doch nicht.

Aino Simon ist Sozialwissenschaftlerin und Paartherapeutin. Sie beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Frage, wie Untreue entsteht und wie sie verhindert werden kann. Die offene Beziehung, so Simon, ist eine Option. Das Wichtige hieran ist aber, dass es nicht die eine offene Beziehung gibt, sondern ganz viele individuelle Modelle und Auslegungen.

Kommunikation & Offenheit: Wichtige Punkte bei einer offenen Beziehung

Wenn ein Paar in einer offenen Beziehung lebt, heißt das nicht automatisch, dass körperliche Nähe zu Dritten entstehen darf oder soll. Es heißt auch nicht, dass auf Partys mit allem geknutscht wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Es heißt in erster Linie, dass sich das Paar auf eine offene Kommunikation geeinigt hat.

Aino Simon ist überzeugt, dass verdrängte Bedürfnisse und ein fehlender Raum zur offenen Kommunikation die Hauptgründe sind, warum sich Menschen in ihren Beziehungen unwohl fühlen und/ oder fremdgehen. Das Gegenmittel läge demnach in einer „verstärkten inneren Offenheit“.

Trennungsangst
Verdrängte Bedürfnisse und wenig Kommunikation sind Gründe fürs Fremdgehen- Foto: Pexels/ Cottonbro

Das bedeutet: Lerne, gerade in Stress- oder Konfliktsituationen, deine Gefühle aktiv wahrzunehmen. Dann kannst du hinterfragen, auf welches Bedürfnis dein Gefühl hinweist und zu welcher Handlung es dich auffordert. Offenheit fängt also schon damit an, offen mit den eigenen Gefühlen und Empfindungen umzugehen.

Im zweiten Schritt überträgt sich diese Offenheit auf den/die Partner:in. Streit entsteht oft, weil zwei Partner:innen unterschiedliche Bedürfnisse haben, die im Widerspruch zueinanderstehen. Dabei wissen die Streitenden oft gar nicht, welche Bedürfnisse da eigentlich miteinander streiten.

Deshalb müssen Konflikte offen und transparent ausgetragen werden und gelöst werden. Das funktioniert selten über „Du hast dies und das gemacht und deshalb bin ich sauer“, sondern eher über die Frage, welches Bedürfnis hinter der eigenen Wut oder Enttäuschung steht: „Ich habe ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, deshalb fühle ich mich schlecht, wenn du ohne Bescheid zu sagen später nach Hause kommst.“

„Fremdgehen gehört zur Monogamie“

In einer offenen Beziehung wird offen miteinander geredet – das hört sich zunächst an, als seien alle Beziehungen grundsätzlich offen. Aber das ist nicht der Fall. Es wird sich viel geschämt für Gedanken, für Wünsche und Träume. Wenn sich einer fremdverliebt – was laut Simons Erfahrung andauernd und in den besten Beziehungen vorkommt – sprechen die meisten Menschen nicht mit ihrem/ihrer Partner:in, aus Angst vor Verurteilung. Stattdessen versuchen sie die ungewollten Gefühle für sich zu behalten und schlittert im Worst Case in eine Affäre. Und dann?

„Gerade im Hinblick auf die Liebe ist unser Denken erstaunlich starr und eingeschränkt“, findet Simon. „Wer fremdgeht, ist ein schlechter Mensch. Das ist unmoralisch. Wie kannst du dafür Verständnis zeigen?, werde ich gelegentlich gefragt. Doch wie könnte ich etwas, das bei so vielen Menschen vorkommt, einfach nur verurteilen?“

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Eine offene Beziehung bedeutet in erster Linie offene Kommunikation. Foto: IMAGO/ Addictive Stock

Gewusst? 9 von 10 Männern sind untreu

Die Psychologen Lendt und Fischbach gehen davon aus, dass neun von zehn Männern und drei von vier Frauen mindestens in einer festen Beziehung untreu waren und dass jede zweite Ehe von Untreue betroffen ist. Die Untreue ist Teil Monogamie, schlussfolgert Simon. Wer ihr vorbeugen will, muss sich und seine Beziehung öffnen. Und wie gesagt, das heißt nicht, einen Freifahrtschein auszustellen, jedem Impuls zu folgen.

Aber es braucht einen Raum, einen Safe Place in Beziehungen, in dem auch über Gefühle zu Dritten gesprochen werden kann. Was die Konsequenzen aus diesen Gefühlen sind, wird sich zeigen. Wichtig ist, dass der/die Partner:in Teil des Prozesses ist und nichts hinter seinem oder ihren Rücken geschieht. Denn damit wird das Grundvertrauen derart beschädigt, dass es lange Zeit dauert, es wieder zu reparieren.

„Ich will die Monogamie nicht abschaffen!“

Aino Simon hat ein Buch geschrieben, das Menschen helfen soll, die in ihrer Beziehung offener werden wollen, die unzufrieden sind, die betrogen haben oder die betrogen wurden. Es hat den passenden Titel „Liebe lieber einzigartig“. Sie will zeigen, dass es mehr Möglichkeiten gibt, einander zu lieben, als es sich die meisten Menschen vielleicht vorstellen können. Das Buch soll zeigen, wie du deine Liebe so gestalten kannst, wie du sie dir wünschst.

„Ich will die Monogamie nicht abschaffen“, stellt sie im Buch klar. „Aber ich will von Herzen gern einen Betrag dazu leisten, dass wir flexibler und offener, ja unvoreingenommener über die Monogamie nachdenken und sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle modernisieren.“

Ziel des Buches ist es nicht, die Menschen aus der Monogamie „herauszureden“, sondern sie stattdessen dazu einzuladen, sich die Vielfalt der Varianten einer offenen Beziehung anzuschauen und die richtige für sich zu finden.

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Fazit: Ja, wir wären in offenen Beziehungen glücklicher

In einer offenen Beziehung – egal, welche Abstufung von „offen“ du für dich wählst, schaffst du Raum für das „Unsagbare“ in der geschlossenen Beziehung. Bedürfnisse wie der Wunsch nach Abenteuer und Freiheit dürfen hier geäußert werden, ohne dass sie verurteilt werden und auch ohne dass ihnen eine Handlung folgen muss.

Das Paar legt über die Offenheit seine eigenen Tabus ab, sodass es in der Folge auch nicht mehr zu Tabubrüchen kommen kann – zumindest nicht, wenn sich beide Partner sich an die Offenheit halten.

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Tabus ablegen, bedeutet keine Tabubrüche. Foto: IMAGO / Westend61

In einer monogamen Beziehung kann Offenheit gelebt werden, indem Raum für das Sprechen über Bedürfnisse besteht, ohne dass die „Erlaubnis“ zum Seitensprung erteilt wird. Es kann ein Diskurs darüber entstehen, wie weit man die eigene Beziehung öffnet, um die Bedürfnisse beider zu erfüllen.

Liegen diese Wünsche zu weit auseinander, kann das zwar das Ende der Beziehung bedeuten. Aber der Betrug und die damit einhergehenden Verletzungen auf beiden Seiten wurde verhindert. Allein bestimmte Themen zu enttabuisieren erspart Paaren viel Drama. Am Ende zählt das Wissen, dass trotz kleiner Verlockungen am Wegesrand das Ziel und das sichere Zuhause der eigene Partner ist.

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