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#BlackTimeStory: Warum die Ängste in der Schwangerschaft bei Schwarzen Frauen andere sind

In der Kolumne #BlackTimeStory nimmt dich unsere Autorin mit durch ihr gesamtes Leben. Sie erzählt schonungslos ehrlich über Alltagsrassismus, Identitätszweifel und Ängste als Schwarze Person in Deutschland.

Ängste Schwangerschaft
Ängste in der Schwangerschaft sind andere, wenn du eine Schwarze Frau bist. Foto: Getty Images/ Jose Luis Pelaez Inc

Auf den positiven Schwangerschaftstest schauen, das erste Mal das Herz des eigenen Babys schlagen hören, Babyklamotten einkaufen: Eine Schwangerschaft ist für eine Frau etwas ganz Besonderes. Doch was passiert mit einer werdenden Mutter, wenn die Freude über das neue Leben von Rassismus-Vorfällen geprägt wird? Welche Ängste in der Schwangerschaft entstehen, wenn du eine Schwarze Frau in Deutschland bist, erfährst du in diesem Artikel. 

Ängste in der Schwangerschaft: Was Schwarze Frauen fürchten

Seit ich denken kann, bin ich der festen Überzeugung, dass mich eine Superheldin auf die Welt gebracht hat – eine Schwarze Superheldin! Erst, als ich älter war, wurde mir bewusst, welche Hürden meine Mama bewältigen musste, um mir und meiner vier Jahre älteren Schwester ein gutes Leben zu ermöglichen. Es war 1992, als meine Mutter erfuhr, dass sie nach ihrer ersten Tochter ein zweites Kind erwartete.

Schwangerschaft Angst
Im Jahr 1992 erfuhr meine Mama, dass sie mit mir schwanger war. Foto: Getty Images/ Cavan Images

Zu dieser Zeit waren die Medien voll mit Nachrichten rund um die Ausschreitungen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Im August 1992 warfen Menschen der rechten Szene Molotowcocktails auf ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter:innen. Heute wird dieser Vorfall als schlimmster fremdenfeindlicher Übergriff in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieben. Meine Mutter saß hochschwanger vor dem Fernseher und durchlebte ein Déjà-vu. 

Als meine Schwester gerade einmal ein Jahr alt war, wurde in Eberswalde der Schwarze Vertragsarbeiter Amadeu Antonio Kiowa von einer Gruppe von Neonazis brutal zusammengeschlagen. Als einer der Täter dem am Boden liegenden Kiowa mit beiden Füßen auf den Kopf sprang, erlitt er schwere Kopfverletzungen. Elf Tage lang lag Amadeu Antonio Kiowa daraufhin im Koma und starb an den Folgen des Angriffs.

Heute, 32 Jahre später im Jahr 2022, bin ich auf der Suche nach den Spuren, die der Rassismus in Deutschland an meiner Mutter hinterlassen hat. An einem regnerischen Tag im September fragte ich meine Mutter also nach ihren Ängsten in der Schwangerschaft. Sie musste nicht lange überlegen. „Ich hatte Angst, dass ich den Fernseher anmache und das Gesicht meiner Kinder sehen muss.“ 

Fehlgeburt & Komplikationen: Diese Ängste durchlebte meine Mutter wirklich 

Noch heute merke ich, wie die vielen rassistischen Vorfälle meine Mutter geprägt haben. Und wie ihre Ängste sich von den Müttern meiner weißen Freund:innen unterscheiden. Während andere, weiße Mütter, ihren Kindern eine gute Reise wünschen, drückt meine Mama mir Unterlagen in die Hände, auf denen Orte und Viertel stehen, die ich als Schwarze Frau lieber nicht besuchen sollte. Und noch immer bleibt sie stundenlang wach, wenn sie weiß, dass ich im Osten Berlins unterwegs bin.  

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Die Sorgen meiner Mutter entscheiden sich von denen einer weißen Mutter. Foto: Getty Images/ Maskot

Neben den üblichen Ängsten in der Schwangerschaft, wie einer Fehlgeburt oder anderen Komplikationen, musste meine Mutter sich noch mit vielen anderen Ängsten herumschlagen. Oft lag sie stundenlang im Bett, streichelte ihren Bauch und betete zu Gott, dass meine Schwester und ich in einer Welt aufwachsen würden, in der wir keine Angst haben müssten, ins Koma geschlagen zu werden.  

Ängste in der Schwangerschaft werden mit der Geburt erst so richtig schlimm

Leider hörten die rechtsextremen Angriffe auch im Jahr 1993, das Jahr meiner Geburt, nicht auf. Und immer wieder hörte man im Fernsehen von grausamen Ereignissen. Als ich vier Monate alt war, wurden in Solingen fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen bei einem Brandanschlag ermordet. Wieder saß meine Mutter an diesem Tag vor dem Fernseher.  

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Kurzerhand schaltete sie den Fernseher aus, schnappte ihre Töchter und ging mit uns zum Spielplatz. „So früh wollte ich euch nicht mit all den schlimmen Dingen, die auf der Welt passieren, konfrontieren“, erzählte sie mir.

Irgendwann tat sie es aber doch und auch wenn es schwer für uns war, dass uns Menschen aufgrund unserer Hautfarbe so sehr hassen konnten, verspürte ich keine Angst. Warum nicht? Weil mich eine Superheldin auf die Welt gebracht hat – eine Schwarze Superheldin! 

Doch auch Superheldinnen können nicht immer für einen da sein. Nur drei Jahre später musste ich am eigenen Leib erleben, wie fremde Leute auf mich und meine Hautfarbe reagierten. Was das mit mir gemacht hat und wieso ich diesen Vorfall auch heute nicht vergessen kann, erfahrt ihr in meiner nächsten Ausgabe #BlackTimeStory.