Veröffentlicht inPsychologie

Tagesklinik vs stationär: Welche Therapieform ist besser für dich?

Tagesklinik oder Stationär – welche Therapieform ist für mich geeignet? Hier findest du die wichtigsten Vor- und Nachteile im Überblick.

Tagesklinik oder stationäre Therapie
© Pavel Shcherbakov - stock.adobe.

Wie wirksam sind Online-Therapien?

Die Nachfrage nach Psychotherapie hat stark zugenommen. Online-Therapien sollen hier Abhilfe schaffen. Doch wie wirksam sind sie?

Wenn die ambulante Psychotherapie nicht mehr reicht, denken viele Betroffene über einen Klinikaufenthalt nach. Dabei gilt es zwei unterschiedliche Therapieformen: Tagesklinik vs stationär. Wie der Name schon verrät, findet die Behandlung in einer Tagesklinik jeden Tag tagsüber statt, während du bei einer stationären Therapie für längere Zeit in eine psychosomatische Klinik einquartiert wirst. Welche Therapieform die richtige für dich ist und welche Vor- und Nachteile es jeweils gibt, erfährst du hier.

Tagesklinik vs stationär: Die Vor- und Nachteile im Überblick

Wer an einer psychischen Erkrankung leidet oder sich in einer akuten, mentalen Krise befindet, ist auch schnelle und professionelle Hilfe angewiesen. Die Suche nach einem ambulanten Therapieplatz kann schwer und langwierig sein. Manchmal reicht eine Therapiesitzung einmal die Woche nicht mehr aus. Ist das der Fall solltest du über eine stationäre Therapie oder eine Behandlung in einer Tagesklinik nachdenken.

Vorteile einer Tagesklinik

Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Angebote in psychosomatischen Tageskliniken. Diplom Psychologin Tatjana Heidemann hält diese Maßnahme für sinnvoll, da eine Therapie in einer Tagesklinik auch die Krankenkassen und das Klinikpersonal finanziell entlasten würde. Und: Sie bringt auch für die Patientinnen und Patienten viele Vorteile.

1. Du kannst akute Probleme schneller aufgreifen

Es ist normal, dass im laufenden Therapieprozess auch neue Ereignisse auf dich einprasseln und dich belasten. Wenn du täglich in einer Tagesklinik behandelt wirst, hast du die Möglichkeit, akute Probleme direkt anzusprechen und aufzugreifen.

2. Dein Alltag lässt sich in die Therapie integrieren

Während du in einer stationären Therapie aus deinem Alltag herausgerissen wirst, läuft dein Alltag in einer Tagesklinik relativ normal weiter. Verfällst du wieder in alte Muster, lässt sich das in der täglichen Sitzung ideal bearbeiten und neue Angewohnheiten können schneller in den Alltag integriert und umgesetzt werden.

3. Deine Angehörigen können an deiner Therapie teilnehmen (wenn gewünscht)

In einer stationären Einrichtung ist es schwieriger, Menschen aus deinem Umfeld zu einem therapeutischen Gespräch hinzuzuziehen. Dadurch dass sich die Tagesklinik in deiner nähe deines Wohnortes befindet, müssen deine Angehörigen keine langen Wege auf sich nehmen, um bei der Therapie dabei zu sein oder dich auf dem Weg der Genesung zu begleiten. Natürlich nur, wenn du damit einverstanden bist und dein Therapeut oder deine Therapeutin diese Maßnahme für sinnvoll erachtet.

4. Entstigmatisierung der Tageskliniken schreitet voran

Leider sind psychiatrische Einrichtungen in unserer Gesellschaft noch immer stigmatisiert. Begibst du dich in eine stationäre Therapie, verschwindest du für mehrere Wochen von der Bildfläche und wirst schnell als „krank“ abgestempelt. In einer Tagesklinik hast du die Möglichkeit, weiterhin in deinem beruflichen und sozialen Umfeld präsent zu sein. Meistens stößt man damit auf mehr Verständnis der anderen. Vorsicht: Ein solcher Balanceakt kann Flucht und Segen zugleich sein.

5. Du bleibst in deinem gewohnten Umfeld

Ein entscheidender Vorteil, weshalb viele eine Tagesklinik einer stationären Therapie vorziehen, ist: Du kannst Zuhause schlafen. Während der Behandlung wohnst du weiterhin in deiner Wohnung, sodass du in deinem gewohnten Umfeld bleibst und dich nicht an andere Essenszeiten umgewöhnen musst oder dir mit anderen Menschen ein Zimmer teilen musst.

Beachte: In einigen Fällen kann es auch von Nachteil sein, im gewohnten Umfeld zu bleiben. Hast du Probleme in deinem privaten Umfeld könnte ein stationärer Aufenthalt besser für dich sein.

Nachteile einer Tagesklinik

Einige der eben genannten Vorteile könnten sich unter gewissen Voraussetzungen auch zu einem Nachteil entwickeln.

1. Probleme des Alltags holen dich ein

Auch wenn es schön ist, weiterhin im eigenen Bett zu schlafen und keine Tasche packen zu müssen – andere alltägliche Aufgaben begleiten dich auch weiterhin. Verpflichtungen wie Einkaufen, Putzen, Aufräumen oder Kochen warten auf dich, sobald du von der Tagesklinik zur Haustür herein kommst. Hast du das Bedürfnis, deine To-Do Liste zügig abarbeiten zu müssen, könnte es dir schwerfallen, dich auf die Behandlung in der Tagesklinik voll und ganz zu konzentrieren.

2. Anfahrtsweg zur Tagesklinik

In der Regel befindet sich die Tagesklinik in deinem unmittelbaren Umfeld, sodass du keine ewig langen Anfahrtswege hast. Doch auch 20 Minuten U-Bahn fahren können beispielsweise für jemanden mit einer Angst- und Panikstörung schon zur Belastungsprobe werden. Diesen Weg jeden Tag auf sich nehmen zu müssen, kann dich viel Kraft und Energie kosten. Mache nicht den Fehler, den täglichen Hin- und Rückweg zu unterschätzen und denke auch einmal über einen stationären Aufenthalt nach.

3. Eigenverantworung ist wichtig

Nicht nur der Weg kann eine Herausforderung sein. Auch pünktliches Erscheinen ist in der Tagesklinik an der Tagesordnung. Du solltest eigenverantwortlich dafür Sorge tragen, dass du pünktlich zu deinen Anwendungen erscheinst und dich um deine restlichen privaten Probleme ebenfalls selbst kümmerst. In einer stationären Therapie wirst du etwas mehr „in Watte gepackt“.

4. Tageskliniken sind anonymer

Hast du Sorge, du könntest in der Tagesklinik nur eine:r von vielen sein? Tatsächlich hört man aus einigen Erfahrungsberichten, dass Menschen sich wie eine Art „Nummer“ gefühlt haben und die persönliche Ebene noch ausbaufähig sei. Natürlich ist das von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Doch auch mit den anderen Patient:innen bist du weniger im Austausch, als in einer stationären Therapie. Wenn dir der Umgang mit anderen Betroffenen hilft, könnte ein Klinikaufenthalt besser zu dir passen.

5. Konzept der Tageskliniken ist ausbaufähig

Zwar gibt es heutzutage mehr Tageskliniken als noch vor 5 Jahren. Dennoch gibt es bislang keine flächendeckende Versorgung. Informiere dich erst einmal, ob eine Tagesklinik in der Nähe vorhanden ist und welche Angebote es dort gibt. Die Behandlungskonzepte sind zwischen den Kliniken teilweise sehr verschieden. Zudem sind einige Einrichtungen auf spezielle psychische Erkrankungen spezialisiert.

Gespräch bei der stationären Psychotherapie
In einer stationären Psychotherapie lernst du verschiedene Therapieformen kennen. Foto: Studio Romantic – stock.adobe.com

Stationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik

Bei einer stationären Therapie wirst du für 3-8 Wochen in eine psychosomatische Klinik aufgenommen und dort intensiv betreut. Auch diese Therapieform bringt Vor- und Nachteile mit sich.

Vorteile einer stationären Therapie

Logischerweise ist eine stationäre Behandlung intensiver und individueller als eine Behandlung in einer Tagesklinik. Doch es kommt immer auf die Persönlichkeit, die Lebensumstände und vor allem auch auf die Erkrankung an.

1. Intensive Betreuung

Der wohl ausschlaggebendste Vorteil einer stationären Therapie ist die intensive und individuelle Betreuung in der Klinik. Schließlich lebst du für die Zeit der Behandlung dort, hast dein eigenes Zimmer und viel Kontakt zu den Therapeut:innen und Mitpatient:innen. Wenn du Gesprächsbedarf hast, ist immer jemand ansprechbar. So kannst du auch Medikamente in einem überwachten und kontrollierten Umfang ausprobieren.

2. Wo bist du?

Du möchtest deine psychische Krise erst einmal geheim halten? Verständlich. Wenn du dich in eine stationäre Behandlung begibst, wird niemand darüber informiert. Das heißt: Du bist weg und keiner weiß, wo du bist. So bleibst es dir überlassen, wem du davon erzählst und wem nicht. Und das beste: Du kannst dich in dieser Zeit voll und ganz auf dich selbst konzentrieren und gesund werden.

3. Distanz zum alltäglichen Leben

Was einige als Nachteil empfinden, kann jedoch auch ein Vorteil sein: Für die Zeit der Therapie bist du aus deinem beruflichen und privaten Umfeld raus. Das heißt, du kannst dich nur auf dich selbst fokussieren und musst nicht an tausend andere Sachen denken. Willst du deine Ruhe haben, wird das Handy stumm gestellt und fertig! Viele Patient:innen empfinden das als sehr entlastend und befreiend.

4. Vielfältiges Therapieangebot

Da du quasi Tag und Nacht vor Ort bist, kannst du an wesentlich mehr Anwendungen teilnehmen und in Sonderveranstaltungen hinein schnuppern. An den Wochenende hast du die Möglichkeit, Veranstaltungen oder andere Aktionen mitzumachen oder auch mal „auszufliegen“ und dich mit Bekannten oder deiner Familie zu treffen. Das Behandlungsangebot in einer stationären Therapie ist oft umfangreicher als in einer Tagesklinik.

5. Notfallversorgung

Erleidest du akut einen Rückfall oder eine Verschlimmerung deiner Symptome, sind direkt Fachkräfte zur Stelle, die dir helfen können. Rund um die Uhr wirst du ärztlich versorgt und du kannst dir professionellen Rat einholen. Besonders für ängstliche und hypochondrische Menschen kann dieser Fakt eine enorme Entlastung sein.

Nachteile einer stationären Therapie

So intensiv der Aufenthalt in der Klinik auch ist, umso schwerer kann es werden, aus dieser „Kuchenglocke“ wieder herauszukommen und sich im Alltag zurecht zu finden.

1. Es ist schwer, in den Alltag zurückzukehren

Viele Klinikerfahrene berichten davon, dass es ihnen schwer gefallen ist, nach der stationären Therapie wieder in den Alltag reinzukommen. Die Rückkehr in den Alltag kommt in der Therapie leider oft zu kurz, sodass Betroffene sich überfordert fühlen, in ihr „normales Leben“ zurückzukehren. Um eine ambulante Weiterführung der Therapie musst du dich selbst kümmern. Mach das am besten schon während des Klinikaufenthalts, sodass du einen nahtlosen Übergang hast. So fällt die Wiedereingliederung auch nicht so schwer.

2. Die Welt friert ein

Während du in deinem Safe-Space in der Klinik bist, geht das Leben deiner Angehörigen einfach weiter. Es passieren also Dinge, die du erst einmal nicht mitbekommst, da alles aus dem privaten oder beruflichen Umfeld auf Eis gelegt und für den Moment unwichtig ist. Wirst du aus der Klinik entlassen, treffen dich all diese Veränderungen mit einem Schlag, sodass sie dir wie eine große Welle vorkommen. Versuche, dich Schritt für Schritt an die Neuerungen heranzuwagen.

3. Du bist krankgeschrieben und weg von Zuhause

Krankgeschrieben zu sein, ist für viele ein No-Go. „Ich darf auf der Arbeit nicht fehlen“, sagt das Gewissen. In einer stationären Behandlung kannst du anders als in einer Tagesklinik nicht nebenbei arbeiten. Für den Therapieerfolg ist es wichtig, dass du dich voll und ganz darauf einlassen kannst. Bedenke auch, dass du eine relativ lange Zeit von Zuhause weg sein wirst. Hast du Kinder oder Haustiere könnte viel Organisation im Vorfeld nötig sein. Allerdings sollte deine Gesundheit trotzdem oberste Priorität haben.

4. Du wechselst die Rolle

Es kann passieren, dass du im Zuge der Gruppentherapie oder auch durch Gespräche mit anderen Mitpatient:innen plötzlich in die Rolle des Therapeuten oder der Therapeutin gerätst und dich mit den Problemen der anderen beschäftigst. Pass auf dich auf und lass das Helfersyndrom nicht deine Zeit stibitzen.

Tagesklinik oder Stationär: Unser Fazit

Welche Seite nun überwiegt oder welcher Nachteil ein absolutes No-Go ist, kannst nur du für dich selbst entscheiden. Diese Übersicht soll eine Entscheidungshilfe für dich sein, um dir die Wahl etwas leichter zu machen. Sprich in jedem Fall mit deiner Therpeutin oder deinem Therapeuten darüber oder mit Menschen, die bereits Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt haben. Schließlich ist es eine sehr individuelle Entscheidung, für die du dir ausreichend Zeit nehmen darfst.