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Was das Michelangelo-Phänomen ist & wie es deine Beziehung stärkt

Michelangelo formte einst Skulpturen. Heute formen sich Partner in einer Beziehung zum Besten, meint zumindest das Michelangelo-Phänomen. Lies hier mehr dazu.

Paar
Wenn sich der/die Partner:in nach Familie anfühlt, hat man es in die sechste Phase geschafft. Foto: 5760x3840 Pixel IMAGO / Westend61

Michelangelo Buonarroti war einer der berühmtesten Maler und Bildhauer der Renaissance. Sein Fresko Die Erschaffung Adams mit den sich nähernden Händen und auch seine David-Statue sind heute ebenso weltbekannt wie seine künstlerischen Ansichten. Unter anderem meinte er, dass die Bildhauerei ein Prozess sei, „bei dem der Künstler eine verborgende Figur aus dem Steinblock befreit, die in ihm schlummerte“. Doch was hat das jetzt mit einer zwischenmenschlichen Liebesbeziehung zu tun? In diesem Artikel verraten wir dir, was es mit dem Michelangelo-Phänomen auf sich hat & warum es das Geheimnis stabiler Beziehungen ist.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff des Michelangelo-Phänomens?

Der Begriff Michelangelo-Phänomen dient dazu, einen zwischenmenschlichen Prozess aus dem Bereich der Psychologie zu beschreiben. Grundlegend wird angenommen, dass sich Liebende in einer Beziehung gegenseitig beeinflussen. Besser gesagt: Sie formen sich gegenseitig – eben so, wie Michelangelo einst seine Skulpturen formte. Die Metapher bzw. der Begriff wurde erstmals unter anderen durch den US-amerikanischen Psychologen Stephen Michael eingeführt.

Das Michelangelo-Phänomen bezieht sich vor allem auf solche Formungen des Partners, die positiv ausfallen. Das (unterbewusste) Ziel ist es dabei, das ideale Selbst des Partners oder der Partnerin hervorzubringen. Was das ideale Selbst ist, fragst du dich? Dieses Ich-Ideal formt sich im Laufe unseres Lebens und beschreibt unsere eigenen Werte sowie Ziele im Leben, nach denen wir auch unsere Handlungen mehr oder weniger ausrichten.

Greift also der Michelangelo-Effekt, unterstützen sich Partner:innen, um eben dieses ideale Selbst zu erreichen. Einfach gesagt: Sie helfen sich (gegenseitig), eigene Wünsche und Träume zu verwirklichen. Unser:e Partner:in befreit uns aus dem Steinblock, in dem wir schlummern – um bei der Metapher zu bleiben.

David von Michelangelo
Die berühmte Davidstatue von Michelangelo einst geformt aus einem Block Stein. Dieses formen soll auch bei Menschen klappen. Foto: guysargent/Getty Images Signature via canva.com

Das Geheimnis einer jeden stabilen Beziehung

In der Forschung ist man sich einig: Beziehungen, in denen das Michelangelo-Phänomen greift, weisen einen sehr hohen Grad an Zufriedenheit auf. Denn hier treffen tiefe Liebe, Treue und Vertrauen auf die gleichzeitige Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln, statt in einer stagnierenden Beziehung festzustecken.

Partner:innen, bei denen dieser Effekt greift, legen vor allem empathische und feinfühlige Eigenschaften an den Tag. Sie wissen einfach, was der oder die andere vom Leben erwartet und unterstützen ganz natürlich bei diesem Streben. Die Liebenden müssen sich hierfür also verdammt gut kennen und einander wohlwollend gestimmt sein. Weiter ist es hilfreich, wenn beide häufiger auf einen Nenner kommen, also grundlegend Gemeinsamkeiten in der Beziehung aufweisen. So fällt das Unterstützen einer bestimmten Sache immerhin auch leichter.

Übrigens gibt es zum Michelangelo-Phänomen auch ein Gegenstück: Der Manhattan-Effekt beschreibt, wie Partner:innen sich auch daran hindern können, zu wachsen. Mehr zu diesem Effekt und wie er Beziehungen zum Scheitern bringt, liest du hier.

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Es klingt leicht, wird aber zur wahren Herausforderung: Man muss den anderen stets bedingungslos unterstützen. Foto: IMAGO / Westend61

Wie wird man zum Michelangelo in der eigenen Beziehung?

Das Michelangelo-Phänomen beruht auf bedingungsloser Unterstützung für den/die andere:n. Und danach richten sich dann auch die eigenen Worte und Handlungen aus. Im Alltag kann sich das verschieden äußern. Ganz grundlegend geht es jedoch darum, das ideale Selbst des Partners oder der Partnerin zu bestätigen. Die Einflussnahme kann sich dann auf die eigene Wahrnehmung oder auch auf das Verhalten beziehen. Weiter kann sie bewusst, aber auch unterbewusst stattfinden.

Doch wie muss man sich diese mehr oder weniger bewusste Formung des Partners hin zu seinem idealen Selbst genau vorstellen? Was sich hier so hochtrabend liest, ist im Grunde ganz einfach. Es geht darum, den Partner oder die Partnerin in allen Belangen stets mit Zuspruch zu begegnen und positive Rückmeldungen zu geben, die das persönliche Streben betreffen.

Ein einfaches Beispiel: Du weißt, dass dein Partner gerne seine Kommunikationsfähigkeit erhöhen würde, um zum echten Socializer zu werden? Dank des Michelangelo-Effekts wirst du alles daransetzen, deinen Partner für gelungene Gespräche zu loben oder aber du sorgst dafür, dass er häufiger in Situationen kommt, in denen er seine Skills erweitern kann. Auch wenn das bedeutet, dass er dann den einen oder anderen Abend mal nicht zu Hause ist.

Ein anderes Beispiel: Du weißt, dass deine Partnerin unbedingt einen Studienabschluss erreichen möchte, aber unter Selbstzweifeln leidet, ob sie das überhaupt schaffen kann? Das Michelangelo-Phänomen greift, sobald du deiner Partnerin bedingungsloses Vertrauen entgegenbringst, dass sie es schaffen wird. Sei es, weil du ihr regelmäßig gut zusprichst oder weil du ihr im Haushalt den Rücken freihältst, damit sie Zeit zum Studieren hat.

Michelangelo-Phänomen: Zurückstecken, damit der/die andere glänzt

Was nehmen wir also mit? Eine stabile Beziehung beruht darauf, dass man selbst zurückstecken kann und bereit ist, den anderen bedingungslos zu unterstützen. Nicht allein der Beziehung wegen, sondern der Liebe zum anderen Menschen wegen. Wer möchte, dass der/die Partner:in glücklich ist, macht bereits alles goldrichtig.

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