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Emotionale Einsamkeit tritt in besonderen Lebenssituationen auf

Emotionale Einsamkeit ist ein Thema, das gerne totgeschwiegen wird. Wir brechen das Tabu & verraten dir, welche Lebenssituationen die Einsamkeit begünstigen.

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© IMAGO / Westend61

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Manchmal begegne ich meiner Nachbarin im Hausflur. Sie ist 82 Jahre alt, lebt allein und spricht kein Wort. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass sie bestimmt einsam sein muss. Schnell verwerfe ich den aber wieder. Denn ich weiß, dass der äußere Schein trügen kann. In Wahrheit kann man sich auch einsam fühlen, wenn man jung, fit und auf zahlreichen Partys unterwegs ist. Doch wie kommt es zu diesem Gefühl der emotionalen Einsamkeit? Gibt es Situationen, die das Einsamsein begünstigen? In diesem Artikel erfährst du mehr dazu.

Was ist emotionale Einsamkeit eigentlich?

Ungefähr zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung sind einsam. Andere erleben das Gefühl dagegen nur phasenweise. Gleich zu Beginn sei verraten: Das ist völlig normal. Die Annahme, dass nur einsam ist, wer allein ist, ist allerdings ein Trugschluss. Wer allein ist, muss nicht zwingend einsam sein. Und wer in Gesellschaft ist, kann dennoch einsam sein. Beziehungen und Freundschaften schützen demnach nicht vor Einsamkeit.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Trotz Freunden, dem Studium und regelmäßigen Home- und Clubpartys, kann man sich auch als junger Mensch einsam fühlen. Damals hatte ich das Gefühl, dass alle da waren, doch keiner so richtig an mich herankam. Diese Form der Einsamkeit wird in der Forschung unter emotionaler Einsamkeit gefasst und von der sozialen Einsamkeit abgegrenzt. Letztere meint dagegen die Einsamkeit, die zutage tritt, wenn jemand tatsächlich keinen Anschluss zu Freunden oder an die Gesellschaft hat. Bei dieser Form ist man also aufgrund des Alleinseins einsam.

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Es gibt die soziale Einsamkeit & die soziale Einsamkeit. Bei der emotionalen Form fühlt man sich trotz sozialer Kontakte einsam. Foto: IMAGO / Westend61

Bei der emotionalen Einsamkeit ist man trotz Gesellschaft einsam. Der Definition des Online Lexikons für Psychologie und Pädagogik folgend, ist Einsamkeit also „das subjektive Erleben von Individuen, keine oder zu geringe soziale Einbindung und Unterstützung zu haben.“ Der Fokus liegt also auf dem subjektiven Gefühl.

Einsamkeit kann krank machen

Einsamkeit. Ein Thema, das gerne hinter geschlossenen Gardinen versteckt wird oder höchstens am Rande in einer romantischen Liebeskomödie aufgegriffen wird. Dabei sollte Einsamkeit viel weniger tabuisiert und dafür ernstgenommen werden. Denn Einsamkeit kann krank machen.

Sie lässt das Stresslevel ansteigen, schwächt auf Dauer das Immunsystem, erhöht so die Infektanfälligkeit, lässt den Blutdruck steigen und kann auch für Schlafstörungen sorgen. Außerdem pflegen Betroffene nicht selten einen ungesunden Lebensstil, da sie ihre Gefühle mit Suchtmitteln wie Alkohol, Nikotin oder auch Süßigkeiten zu kompensieren versuchen. Zuletzt befördert Einsamkeit verschiedenen Studien zufolge auch das Risiko, an Altersdemenz zu erkranken.

Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) ist emotionale Einsamkeit nicht als Krankheit gelistet. Sehr wohl wird sie aber als Faktor gelistet, der den Gesundheitszustand beeinflussen kann und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen kann. Somit ist sie eher als ein Symptom einer möglichen psychischen Krankheit zu verstehen.

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Häufig geht sie Hand in Hand mit einer Angst- und Panikstörung oder einer Depression. Auch ich litt zur damaligen Zeit an Panikattacken, ohne überhaupt zu wissen, was das genau ist und woher sie kommen. Natürlich vertraute ich mich damals nur wenigen an und wenn ich es tat, hatte ich immer das Gefühl, nicht verstanden zu werden.

Schnell fand ich mich in einem echten Teufelskreis wieder. Ich wollte da raus, Menschen treffen und meiner Einsamkeit entfliehen, doch das bedeutete einiges an Arbeit. Wenn du wissen möchtest, was wirklich gegen Einsamkeit hilft und wie man Panikattacken loswird, haben wir hier passende Artikel für dich!

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Einsamkeit erfüllt einen wichtigen Zweck! Foto: IMAGO / Westend61

Einsamkeit erfüllt eine wichtige Funktion

Wer sich die Einsamkeit nicht aussucht, leidet in der Regel darunter. Natürlich möchte ich an dieser Stelle aber nicht unterschlagen, dass viele die Einsamkeit ganz bewusst wählen. Sie tanken darin Kraft und ziehen Energie aus dem Alleinsein. Getreu dem Motto:

 „Einsamkeit ist der Weg, auf dem das Schicksal den Menschen zu sich selber führen will.“

Hermann Hesse

Auch dürfen wir nicht vergessen, dass Einsamkeit eine wichtige evolutionäre Funktion erfüllt. Sie erinnert uns daran, dass wir soziale Wesen sind, die Kontakt zu anderen Menschen brauchen. Denn wer sich zu Urzeiten von der Herde trennte, senkte seine Überlebenschancen enorm.

Das Paradoxe vor allem an emotionaler Einsamkeit ist allerdings, dass sie, obwohl sie Menschen verbinden möchte, sie häufig eher trennt. Wer einmal im Sog der Einsamkeit gefangen ist, kommt nur schwer aus eigenem Antrieb wieder heraus. Der Grund dafür? Beim Alleinsein beginnt man eine sehr starke Selbstbezogenheit zu entwickeln. Und die hält andere dauerhaft auf Abstand. Das Ziel muss also sein, sich nicht in seiner Einsamkeit zu verlieren und sich ab und an zu sozialen Kontakten zu zwingen.

Wann tritt emotionale Einsamkeit zutage?

Emotionale Einsamkeit ist ein inneres, subjektives Empfinden, das keinen Regeln folgt. Allerdings gibt es bestimmte Lebensstile und Situationen im Leben, die sie befördern können. Das weiß auch Susanne Bücker, die zu dem Thema forscht. Gegenüber Psychologie Heute sagt sie:

„Insgesamt zeigte sich, dass es vor allem familiäre Ereignisse wie Verwitwung, aber auch die Geburt des ersten Kindes zu sein scheinen, die dazu führten, dass sich die Befragten über längere Zeit einsamer fühlten als zuvor.“

Tatsächlich sind es also Ereignisse, die das Leben völlig auf den Kopf stellen und die erfordern, dass man sich neu organisiert. Junge Eltern fühlen sich beispielsweise häufig völlig isoliert, weil ihnen die Zeit und häufig auch die finanziellen Mittel fehlen, bisherige soziale Kontakte aufrechtzuerhalten oder einfach, weil sie den Connect zu Freunden verlieren, die noch keine Kinder haben.

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Bestimmte Lebenssituationen begünstigen Einsamkeit. Vor allem Umbrüche sind besonders belastend., Foto: IMAGO / Westend61

Bücker meint weiter: „Interessant war der Befund, dass die erlebte Einsamkeit nach dem Eintritt ins Rentenalter im Durchschnitt zurückging. Vermutlich haben Menschen dann einfach mehr Zeit, sich wieder intensiver um die sozialen Kontakte zu kümmern, die ihnen wichtig sind.“

Das erscheint vor allem unter dem Stern interessant, da die Risikofaktoren für Einsamkeit mit dem Alter steigen: Hier kommt es oft zu gesundheitlichen Einschränkungen, zu abnehmender Mobilität oder zum Partnerverlust. Daraus lässt sich schließen: Emotionale Einsamkeit kann jeden treffen, folgt aber keinen vorhersehbaren Regeln.

Emotionale Einsamkeit überwinden, bedeutet oft, sich selbst zu überwinden…

Denn am Ende kann man sich nur selbst helfen, die Einsamkeit hinter sich zu lassen. Das oberste Ziel sollte daher sein, Strukturen im Leben zu schaffen, die einem das Gefühl geben, gebraucht zu werden. Und auch der Kontakt zu anderen Menschen, so schwer es manchmal auch fällt, darf nicht zu kurz kommen.

Dabei hilft es, sich vor Augen zu führen, dass der Mensch seit jeher andere Menschen für ein glückliches und langes Leben brauchte. Was mich betrifft, wäre ich nie aus meinem Sog gekommen, hätte ich mich nicht meinen Freunden anvertraut und mir Hobbys gesucht, die mich aus dem Haus gezwungen haben.