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„Als das Wasser kam, war ich mir sicher, dass ich sterben werde“

Netflix macht aus seiner Geschichte eine Serie und auch Jürgen Vogel verkörpert eine seiner Figuren. Hier erzählt Krimistar Bernhard Aichner, was das für ihn bedeutet – und wie nahe er selbst dem Tod schon war.

Bernhard Aichners neues Werk heißt "Dunkelkammer".. © www.fotowerk.at
Bernhard Aichners neues Werk heißt "Dunkelkammer".. © www.fotowerk.at

Sein Bestseller „Totenfrau“ wird als Koproduktion von Netflix und ORF verfilmt, für den österreichischen Schriftsteller Bernhard Aichner (49) ein „Wunder“. Geplant ist eine sechsteilige Serie über die Bestatterin Blum, die nach dem Tod ihres Mannes Rache sucht. „Netflix bedeutet: ‚Totenfrau‘ wird in 30 Sprachen synchronisiert und in 190 Ländern gesendet“, erklärt Aichner im Interview mit spot on news: „Blum wird ein Weltstar. Das ist mehr als ein Ritterschlag. Eigentlich ist es ein Wunder. Ich bin in einem kleinen Dorf in Osttirol aufgewachsen, habe Rocky verehrt, wollte wie er das Unmögliche möglich machen. Das ist gelungen. Krasser Scheiß!“

„Ich durfte den Produktionsprozess begleiten, habe an den Drehbüchern nicht mitgeschrieben, sie aber gelesen, und für großartig befunden“, erzählt der 49-Jährige über das Projekt weiter. „Ein Glück. Auch die Besetzung, zu der ich im Moment nur so viel sagen darf: Absolute Publikumslieblinge werden mitspielen, einige deutschsprachige Top-Stars sind am Start. Ende April gehen die Dreharbeiten los.“

„Absolut verrückt ist das!“

Eine Starbesetzung gibt es auch für eine weitere Aichner-Verfilmung, den Krimi „Broll – Für immer tot“. „Jürgen Vogel und Laurence Rupp sind ein Dreamteam. Die beiden werden das Publikum mit ihrem hochemotionalen Spiel verzaubern. Gesendet wird im Herbst im ZDF und ORF“, so der Autor. Und die beiden Adaptionen könnten erst der Anfang sein. „Mehrere Produzenten arbeiten im Hintergrund auf Hochtouren. ‚Bösland‘ und ‚Der Fund‘ werden gerade entwickelt. Genauso wie ‚Nur Blau‘. Ich darf auch hier nur so viel verraten: Es schaut gar nicht schlecht aus. Absolut verrückt ist das!“

Ein weiterer Held kommt nun mit Aichners neuem Buch „Dunkelkammer“ (btb) hinzu. David Bronski ist Pressefotograf – genau wie sein Schöpfer früher. „Bevor ich mich der Werbefotografie verschrieb, war ich fünf Jahre lang für eine große österreichische Tageszeitung als Pressefotograf tätig“, erzählt Aichner. „Ich denke sehr oft an diese wilde Zeit zurück, in der ich siebzig Stunden in der Woche unterwegs war. Immer auf der Jagd nach dem besten Bild. Wie im Rausch bin ich mit Mitte 20 durch Tirol gerast und habe die Wirklichkeit abgebildet. Meistens ungeschönt. Bewegende Bilder sind da entstanden, manche von ihnen begleiten mich bis heute. Ich habe meinem Helden David Bronski meine Erfahrungen auf den Leib geschrieben. Meine Arbeit von damals hat sehr geholfen, ihn authentisch zu zeichnen.“

„Ich war mir damals sicher, dass ich sterben werde“

Aichner war als Pressefotograf 1999 nach der Lawinenkatastrophe in Galtür. Nicht seine einzige Erfahrung mit dem Tod. 2004 hat er in Thailand den Tsunami überlebt. „Galtür war grausam“, erinnert er sich. „Wie die Medienleute über das zerstörte Dorf hergefallen sind, hat mich schockiert. Teil dieser gnadenlosen Meute zu sein, hat mich nachdenken lassen. Wir haben die Zerstörung fotografiert, Menschen genötigt, uns ihre Trauer zu zeigen. Unschön war das. Geld mit dem Unglück der anderen zu verdienen, macht etwas mit einem“, sagt er heute.

„Und der Tsunami? Das war mein Alptraum, der mich viele Jahre begleitet hat. Ich war mir damals hundertprozentig sicher, dass ich sterben werde. Mit meinem einjährigen Sohn im Arm stand ich da und schaute zu, wie das Wasser kam. Ich dachte, die Welt geht unter. Glücklicherweise haben wir überlebt. Und das hat mich demütig gemacht. Mir ist klar geworden, dass jeder Tag der letzte sein kann. Dass der Tod zum Leben dazugehört.“

Und er fügt hinzu: „Bei meiner Recherche zu ‚Totenfrau‘ habe ich dann in einem Bestattungsinstitut mitgearbeitet. Ich durfte mithelfen, die Verstorbenen für die Verabschiedung am offenen Sarg vorzubereiten. Ich habe sie gewaschen, Wunden versorgt, sie angezogen und eingebettet. Das war heilend. Seit damals habe ich keine Angst mehr vor dem Tod.“

„Sie hat 13 Menschen umgebracht, trotzdem mag man sie“

Über den Protagonisten seines neuen Krimis verrät Aichner: „Bronski ist einsam. Lebt allein. Er hat sein Kind und seine Frau verloren, das einzige, das ihm Trost spendet, sind die Porträts, die er von toten Menschen macht. Klingt krass, ist es auch. Trotzdem gelingt es, diesen vom Schicksal Verwundeten, aus seiner Dunkelkammer wieder ins Licht zu zerren. Da ich wahnsinnig auf Happy Ends stehe, habe ich ihm eine Frau an die Seite gestellt, die ihn rettet. Eine Polizeireporterin mit Herz und Verstand. Die bessere Hälfte meines Helden.“

Er hoffe, dass ihn Bronski sehr lange begleiten werde, erklärt der Autor. „Sollten die Leserinnen und Leser die Figur ebenso lieben wie ich, wird es noch viele Bücher geben. Bronski ermöglicht mir, mich als Fotograf so auszutoben, wie ich es im wirklichen Leben niemals könnte. Und das macht verdammt viel Spaß.“ Und welche seiner Figuren liegt dem Schriftsteller am meisten am Herzen? „Die Bestatterin Brünhilde Blum hat mein Leben verändert. Seit dem internationalen Durchbruch 2014 kann ich vom Schreiben leben, sie hat meinen Traum verwirklicht. Dafür werde ich sie immer lieben. Noch dazu ist sie eine Hammer-Frau. Sie hat zwar 13 Menschen umgebracht, trotzdem mag man sie. Und das muss man erstmal hinkriegen.“

Über sein Leben während der Pandemie sagt der 49-Jährige: „Ich saß am Schreibtisch und habe geschrieben wie ein Teufel. Tue es immer noch. Bis dieser Irrsinn endet. Und wir uns alle gemeinsam hemmungslos betrinken, und uns mit einem Lächeln im Gesicht in den Armen liegen.“ Im Juli schon erscheint „Gegenlicht“, Band zwei der Bronski-Reihe. Im Winter folgt Band drei. „Ich schreibe. Und schreibe. Und schreibe. Zwischendurch schmuse ich mit meiner Frau, spiele mit den Kindern ‚Siedler von Catan‘ und gehe mit dem Hund raus.“

(hub/spot)