Veröffentlicht inInsights

Ausbrechen aus der Filterblase, aber bitte nicht vollkommen durchdrehen

Jeder steckt in seiner eigenen Filterblase fest. Ausbrechen ist nur dann möglich, wenn wir in Eigeninitiative die richtigen Weichen stellen.

Hygiene-Demo, mundschutz, maskenpflicht, rechts demonstration
Filterblase aufbrechen: Jede Woche gibt es Hygiene-Demos. Manche nehmens mit Humor. Foto: imago images/Christian Ditsch /

Corona, Flüchtlinge, Klimawandel. Zu solch grundlegenden Themen unserer Gesellschaft, Politik und Umwelt haben wir tausende verschiedene Lager, die sich mit unterschiedlichen Informationen füttern lassen und so zu unterschiedlichen Meinungen gelangen: Internetbasierte Filterblasen lassen uns glauben, nur wir wüssten, wie der Hase läuft.

Rechts wie links lamentiert gleichermaßen über das politische Deutschland. Theoretisch wissen wir, wie sehr wie in der eigenen Filterblase gefangen sind. Und doch fällt das Ausbrechen schwer. Nachrichten der „anderen Seite“ erreichen uns nicht, wenn wir einmal zu tief im eigenen Kaninchenbau gegraben haben. 

Filterblasen hinter sich zu lassen ist viel Arbeit

Der Fitlerbubble wieder zu entkommen ist mit einer Menge Arbeit verbunden. Ob es sich lohnt, wird sich erst noch herausstellen. Wir zeigen euch eine Anleitung, wie man seine eigene Filterblase langsam aufbricht, um sich ein freieres Meinungsbild zu verschaffen. 

Schlechte Träume Corona
Deine Filterblase begleitet dich wo du gehst und stehst.(Photo: GeorgePeters)

1. Kenne deine Suchmaschine

Es ist sehr wahrscheinlich, dass du Google als Suchmaschine für deine Anfragen nutzt. Das ist vollkommen in Ordnung! Da Google der Marktführer und unfassbar mächtig ist, bemühen sich alle politischen Seiten darum, bei Google.de ein hohes Ranking zu bekommen. 

Sei dir aber darüber im Klaren, dass du dich über heikle News nicht nur auf der ersten Seite informieren solltest. Auf den Folgeseiten könntest du auf viel besser recherchierte und aufwendigere Beiträge stoßen. Woran du Fake News erkennen kannst, erklären wir dir hier.

Übrigens: Die bekannten Suchmaschinen unterscheiden sich in den Ergebnissen oft. Wer bei Google und bei Bing ein Schlagwort eingibt, der wird beide Male zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Wer Ecosia nutzt, der tut vielleicht etwas für die Umwelt, greift aber auf das gleiche News Portfolio zu, das auch bei Bing gelistet ist.

Anmerkung der Redaktion: In meiner Filterblase sind für das Suchwort „AfD“ unter den ersten 5 Suchergebnisse bei Bing “Stellenangebote bei der AfD” gelistet. Bei Google tauchen sie auch Seiten später nicht auf. Bing hat wohl ein ganz anderes Bild von mir als Google.

Marco Canevacci und Yena Young entwickelten das iSphere zum Schutz gegen Corona
Marco Canevacci und Yena Young entwickelten ihre ganz eigene Filterbubble gegen Corona.(Photo: Marco Barotti)

2. Auch mal rausgehen

Seitdem der Kampf um die Corona-Pandemie begonnen hat, gibt es auch Zweifler an der Schwere oder gar der Existenz der Krankheit. In meiner persönlichen Filterblase werde ich täglich mit Dokumentationen über hirnrissige Hygiene-Demonstrationen konfrontiert, oder schaue mir Anti-Rechte Influencer á la Sophie Passmann an. Ich will nicht sagen, dass das schlecht ist. Es ist nur sehr eintönig. 

Denn es ist leider eine Berufskrankheit von Journalisten und Influencern, zu zeigen, wo gerade etwas Spannendes passiert. Niemand will Langeweile sehen. Denn über Langeweile kann sich niemand aufregen. 

Dass bei einer Hygiene-Demo nicht nur Spinner mit Alu-Bommeln um den Hals herumlaufen, wird immer wieder erwähnt. Doch eine Stimme bekommen diese gemäßigten Kritiker nur selten. Das ist aber wichtig, um das Bild der öffentlichen Meinung nicht zu verzerren.

Anti-Fake-News-Podcasts zum Thema Corona findet ihr hier.

Ja, viele schreien lauthals, dass Bill Gates die WHO gekauft hat und uns alle zwangsimpfen will. Viele sind aber auch einfach nur ratlos und fühlen sich in ihren Grundrechten eingeschränkt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Einzige Möglichkeit für ein ausgeglicheneres Bild: Mit eigenen Augen sehen, was vor sich geht.

3. Vorgekautes bitte ausspucken

Egal, ob links oder rechts: Die Fakten, die wir im Netz lesen, sind meinungsbehaftet und eingefärbt. Das Gute ist dabei. Die AfD, wie auch die linksgerichteten Parteien, verweisen zum Teil auf Quellen, die weit außerhalb ihrer persönlichen Komfortzone liegen. So beziehen sich Twittterposts von AfD-Politikern manchmal auf Artikel der Taz und die Linke verweist von Zeit zu Zeit auf die Bild

Dass diese Bezugnahmen eingefärbt sind, ist klar. Doch dass es sie überhaupt gibt, ist sehr wichtig. Um aus der Filterblase herauszukommen, solltest du diesen Links folgen und versuchen, das Vergefundene auf neutrale und unvoreingenommene Weise zu konsumieren. Es wird dir schwerfallen, da du immer voreingenommen bist, aber genau das ist die Herausforderung.

Christian Drosten und Jens Spahn Bundespressekonferenz
Zwei Welten treffen aufeinander: Virologe Prof. Dr. Christian Drosten und Gesundheitsminister Jens Spahn. Einer von beiden hat mehr Ahnung von Viren.(Photo: Christian-Ditsch.de via www.imago-images.de)

4. Muss man denn unbedingt zu allem eine Meinung haben?

Das Internet gibt uns das Gefühl, dass wir jedes Thema verstehen können und uns nach kurzem Einlesen eine Meinung bilden können. So einfach sind aber viele Themen nicht. Um bei so komplizierten Diskussionen wie beispielweise der Klimakrise alle Fakten beieinander zu haben und sie auch noch korrekt einzuordnen, braucht man mindestens ein abgeschlossenes Meteorologie-Studium. 

Das heißt nicht, dass wir uns keine Meinung über solch wichtige Themen bilden dürfen. Wir sollten nur die Tatsache nicht ausschließen, dass wir nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen haben und Andere sich auf dem Gebiet besser auskennen.

In 4 Schritten zu einer größeren Bubble

Du wirst wahrscheinlich niemals komplett aus deiner eigenen Filterblase ausbrechen können. Niemand kann das. Dafür sind die Algoythmen zu gut darin, uns dort abzuholen, wo wir uns meinungsmäßig am wohlsten fühlen. Was wir aber tun können, ist unsere Bubble ein wenig auszuweiten. Dafür solltest du folgende Schritte befolgen und die Ergebnisse für dich persönlich überwachen.

  1. Die technischen Voraussetzungen schaffen: Ein wenig Privatsphäre auf dem eigenen Rechner schaffst du dir mit Add-Ons wie Ghostery. Deine Browser-History hin und wieder zu löschen macht es Suchmaschinen ebenfalls schwieriger, dich mit gebiasten Meinungen zu füttern.
  2. Lies nicht nur eine einzige Zeitung, sondern lass sich von Seiten wie newstral.com von verscheidenen Publishern informieren.
  3. Folge auf Facebook, Instagram und Youtube Menschen und Herausgebern, die du normalerweise nicht in deinen Dunstkreis zählen würdest.
  4. Lass dich auf Gespräche ein: Oft gehen wir unangenehmen Gesprächen aus dem Weg, weil wir wissen, dass wir uns niemals einigen werden. Wer aber Meinungsfremden eine Chance gibt, sich zu erklären, schafft sich einen neuen Horizont und gibt eine Bühne für viel breiter gefächerte Diskussionen.

Brain Shaming
Bei all der Toleranz für andere Meinungen, dürfen wir Bullshit dennoch keine Bühne geben.(Photo: Andrew Rich)

Raus aus der Filterblase, aber trotzdem bei Verstand bleiben

Bei all den Vorschlägen zur Diskussionsbereitschaft dürfen wir nicht vergessen, dass es immer wieder Menschen geben wird, die versuchen, die Gutgläubigkeit der Menschen auszunutzen. Alleine zur Coronapandemie grassierten schnell viele Verschwörungstheorien. Xavier Naidoo und andere Freunde der verdrehten Fakten entpuppten sich in dieser Krisensituation zu gefährlichen Meinungsmachern. 

Zum Glück sind die meisten Menschen belesen genug, um diesen neuen Verschwöungstheoretikern keine Bühne zu geben.