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Our weekly heroine Phenix Kühnert: „Ich hab mich nie so wirklich als trans* geoutet, weil ich es gar nicht als relevant erachte“

Unsere weekly heroine ist die queere Aktivistin Phenix Kühnert. In einem Interview mit wmn erzählt sie, wie sie als Trans*-Frau mit internalisierter Transphobie umgeht und wie jeder ein Ally der queeren Community sein kann.

Phenix Kühnert
Unsere weekly Heroine ist die trans Aktivistin Phenix Kühnert. Foto: Phenix Kühnert

2020 gab es allein in Deutschland 204 transfeindliche Taten, 36 davon waren Körperverletzungen. Allein diese Zahlen zeigen, dass es noch immer zu viel Homophobie und Queerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft gibt. Frauen wie Phenix Kühnert möchten genau dagegen vorgehen und sorgen für mehr Akzeptanz, Toleranz und Liebe zwischen und unter den Menschen. Auf Instagram lässt sie ihre Follower:innen an ihrem Alltag teilhaben und zeigt so, an welchen (internalisierten) Dingen wir als Gesellschaft (und als Individuum) arbeiten müssen. Aufgrund ihrer inspirierenden Art haben wir sie diese Woche zu unserer weekly heroine gekürt.

Jede Woche erhält eine Frau, die uns mit ihrer Lebensweise oder ihrem Denken inspiriert, den Titel der weekly heroine. Frauen wie Phenix bestärken uns darin, über unsere eigene Denkweise zu sinnieren und die internalisierten Strukturen, die uns von der Gesellschaft beigebracht wurden, zu überdenken. In einem gemeinsamen Interview erzählt sie uns als trans Frau von ihrem Leben mit internalisierter Transfeindlichkeit und gibt uns Tipps, wie man ein guter Ally für die queere Community sein kann.

Phenix Kühnert: Kurz & Knapp

  • Phenix ist Model, Moderatorin, Podcasterin, Autorin und Aktivistin für die queere Community. Sie setzt sich für die Rechte und die Sichtbarkeit der LGBTQIA+-Community ein, im Besonderen für Trans- und nicht binäre Menschen.
  • Vor acht Jahren ist sie von Lübeck nach Berlin gezogen, weil die Metropole ihr private und berufliche Freiheiten geschaffen hat.
  • Am 12. April 2022 erschien ihr erstes Buch „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“, in welchem sie über den Kampf für Gerechtigkeit und trans* Rechte scheibt. Dieses kannst du bei Amazon 🛒 ab 15,55€ kaufen oder bei deiner Lieblingsbuchhandlung.
Phenix Kühnert
Phenix Kühnert erklärt uns im Interview, was es mit internalisierter Transfeindlichkeit auf sich hat. Foto: Lina Tesch

Im Interview mit Phenix Kühnert: „Beim Unterteilen in Geschlechter nur anhand der Genitalien werden trans Personen vergessen“

wmn: Du machst dich gegen Transfeindlichkeit und internalisierte Transphobie stark. Was bedeutet das eigentlich?

Phenix Kühnert: Ich benutze anstatt Transphobie lieber das Wort Transfeindlichkeit. Transphobie hat vom Wort her eigentlich etwas mit Angst zu tun hat. Hier spricht man aber von der Transfeindlichkeit und nicht von irgendeiner Angst. Internalisierte Transfeindlichkeit ist in diesem Sinne eine Form von Transfeindlichkeit, die eine Person gar nicht aktiv in sich versteht. Es ist eher etwas, was beigebracht wurde.

Internalisiert bedeutet, dass im Laufe der jungen Jahre eines Menschen Dinge durch Erziehung, durch ein Umfeld oder durch Medien beigebracht und dadurch passiv in das Wertesystem dieser Person aufgenommen wurde. Und davon merke ich heute im Sinne von Transfeindlichkeit in den Köpfen anderer noch wahnsinnig viel. Das beginnt schon beim Unterteilen in Geschlechter nur anhand der Genitalien – denn hier werden trans Personen vergessen.

„Das Wichtigste ist, sich bewusst zu werden, dass man nicht perfekt ist.“

wmn: Wie kann man an sich selbst oder anderen arbeiten, wenn sie internalisierte Transfeindlichkeit an den Tag legen?

Phenix Kühnert: Das Wichtigste daran ist, sich bewusst zu sein, dass man selbst nicht perfekt ist und dass es auch Schwierigkeiten in den Strukturen und dem System gibt, in dem wir alle leben. Es ist aber auch wichtig zu wissen, dass man selbst als Individuum daran nicht die Schuld trägt. Man ist nicht daran schuld, in welchen Privilegien man lebt.

Wofür man aber etwas kann, ist das Tragen von Scheuklappen und diesen Umstand nicht wahrhaben zu wollen. Außerdem kann man etwas dafür, nichts gegen seine internalisierten, diskriminierenden Gedankenstrukturen zu tun. Dies bedeutet, dass man sich weiterbilden oder belesen sollte, beispielsweise mit diesem Interview, oder einfach offen für diese Thematik ist. Und das bezieht sich nicht nur auf trans Menschen, sondern auf alle möglichen marginalisierten Gruppen.

Phenix Kühnert
Phenix macht sich für Trans-Personen und marginalisierte Gruppen stark. Foto: Delia Baum

wmn: Möchtest du eins wenig über deinen Weg vom Mann zur Frau erzählen? Wann hast du bemerkt, dass du eine Frau werden möchtest und wann hast du dich dann geoutet?

Phenix Kühnert: Also erst einmal bin ich nie einen Weg vom Mann zur Frau gegangen. Ich habe mich auch nie entschieden, dass ich eine Frau sein möchte. Ich war schon immer eine Frau. Ich habe nur lange gebraucht, um mir das selbst einzugestehen. Irgendwann gab es dann Momente, in denen ich mich entschieden habe, andere daran teilhaben zu lassen.

Diese Denkweise, dass ein Mensch das Geschlecht wechselt, ist weit verbreitet und auch meiner Meinung nach internalisiert transfeindlich. Denn am Ende geht es eher um die Außenwirkung und um das, was ein Mensch wirklich ist. Das ist für mich keine Umwandlung, sondern eine Anpassung. Ich passe mein Äußeres also nur dem Inneren an.

„Es war für alle klar, dass ich ein queeres Kind bin.“

wmn: Wie ist dein Familien- und Bekanntenkreis mit dieser Anpassung umgegangen? War es ihnen von Anfang klar, dass du eine Frau bist?

Phenix Kühnert: Ich glaube, was meiner Familie von Anfang klar war, ist, dass ich queer bin. Damit hatte das ein oder andere Familienmitglied phasenweise bestimmt auch seine Problemchen. Mittlerweile, wo ich ein erwachsener Mensch bin und klar artikulieren kann, wer ich bin, was ich mache und was mir wichtig ist, kommen alle wiederum sehr gut damit klar.

wmn: Hast du Tipps für andere, wie man sich bei seinem Outing für sich selbst starkmachen kann und diese Anpassung seinem Umfeld vermittelt?

Phenix Kühnert: Ich hab mich nie so wirklich als trans* geoutet, weil ich es gar nicht als relevant erachte. Und ich würde mir wünschen, dass Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten so enttabuisiert und akzeptiert werden, dass Outings von queeren Menschen gar nicht mehr nötig sind. Viele verspüren da einen richtigen Druck diesbezüglich, welcher dann wegfallen würde. Das ist aber ein gesamtgesellschaftliches Ding, was keine Einzelperson lösen kann.

Phenix Kühnert
Phenix Kühnert war sich schon immer klar, dass sie eine Frau ist. Foto: Delia Baum

„Ich gehe nach wie vor meine Schritte und nach jedem gucke ich mich um, ob noch alles so passt oder ob ich meine Wegrichtung verändern muss.“

Aber auf die Einzelperson bezogen kann ich nur empfehlen, sich im Umfeld Verbündete zu suchen. Man sollte erst einmal mit einer Person sprechen, der man vertraut, von der man weiß, dass sie einem den Rücken stärkt und die zu einem stehen wird, egal, was passiert. Und von da heißt es dann einfach ein Schritt nach dem anderen.

Ich bin in meinem Leben ganz pragmatisch Schritt für Schritt gegangen und habe geschaut, wie ich mich damit fühle und ob ich weitergehen will oder ob ich lieber meinen Weg anpasse. Und genauso lebe ich auch heute noch. Ich vermittele das Bild, dass ich schon angekommen wäre, aber das ist menschlich überhaupt nicht möglich. Ich gehe nach wie vor meine Schritte und nach jedem gucke ich mich um, ob noch alles so passt oder ob ich noch eine Wegrichtung verändern muss.

wmn: Du scheinst immer so taff auf deinen Social Media-Kanälen. Es hört sich nun aber so an, als wärst du auch noch oft unsicher.

Phenix Kühnert: Ich glaube, ich bin Mensch. Und es wäre vermessen zu glauben, dass man als Mensch etwas zu 100 % sein kann. Ich denke, dass das nicht viel mit meiner Transidentität zu tun hat, sondern damit, dass ich Mensch bin. Und ich finde es fast schade, wenn sich Menschen in Schubladen so tief hereinstecken, dass sie sich selbst gar nicht mehr erlauben, dort auch selbst wieder herauszukommen.

„Am Ende haben wir alle unsere eigene Lebensrealität.“

wmn: Wurden dir in deiner Entwicklung zu der Frau, die du jetzt bist, viele Steine in den Weg gelegt? Hat sich dein Alltag verändert, als du dich richtig selbst gefunden hast?

Phenix Kühnert: Ich halte gar nicht viel davon, das Leid von Menschen gegeneinander aufzuwiegen. Am Ende haben wir alle unsere eigene Lebensrealität. Trotzdem muss ich an der Stelle natürlich sagen, dass ich verhältnismäßig wenig Steine auf meinem Weg hatte. Ich bin eine weiße Frau, aktuell gesund, ich komme aus einer intakten, finanziell stabil aufgestellten Familie, ich wohne in Berlin – in diesem Sinne sind schon verhältnismäßig wenige Steine in meinem Weg gewesen und das weiß ich absolut zu schätzen.

Phenix Kühnert
Phenix geht einem Schritt nach dem anderen in ihrer Entwicklung. Foto: Phenix Kühnert

Und ich glaube auch manchmal, dass diese wenige Steinen in meinem Weg auch dazu führten, dass ich heute dieses Interview geben kann. Dadurch bin ich einfach schneller dort angekommen, wo ich bin. Und das weiß ich zu schätzen. Damit will ich allerdings nicht sagen, dass es immer einfach war.

wmn: Wie möchtest du deine Follower:innen dazu animieren, mehr für die Trans*/queere Community zu machen und einzustehen?

Phenix Kühnert: Ich glaube, dass es wichtig ist, um für mehr Akzeptanz und Toleranz zu sorgen, den Menschen einen, oder meinen Weg und mein Leben zu zeigen, damit wir über Empathie zum Ziel kommen können. Und das möchte ich im Kleinen versuchen. Ich hoffe einfach, dass ich allein durch Einblicke in meinen Alltag zeigen kann, dass Dinge schieflaufen können und dass gewisse Dinge anders laufen sollten.

Ich glaube, dass das Zeigen meines Alltags und das Zeigen des Alltags anderer Menschen, wahnsinnig wichtig ist, um auf Micro-Aggressions aufmerksam zu machen. Dazu zählen Situationen, in denen sich marginalisierte Menschen in unserer Gesellschaft wiederfinden, die eigentlich einzeln betrachtet gar nicht so schlimm sind. Hier spielen übergriffige Fragen zu meinen Genitalien zum Beispiel eine Rolle.

„Wenn ich nicht selber für mich und meine Community einstehen kann, wünsche ich mir, dass andere das tun.“

Wenn das einmal passieren würde, würde ich darüber lächeln können und mir sagen, dass diese Person einfach etwas übermütig war. Aber wenn das fast täglich passiert, dass Menschen einem solche Fragen stellen, wird das natürlich zum Problem. Und das ist etwas, woran ich Menschen teilhaben lassen möchte, damit dafür eine Sensibilität entstehen kann.

wmn: Wie kann mein ein guter Ally für die trans* Community sein und sich für diese starkmachen?

Phenix Kühnert: Ein Beispiel, welches ich gerne bringe: Wenn wir beide zum Beispiel in einer Gruppe zusammen sitzen und ich auf Toilette oder einen Drink holen gehe, und irgendeine Person an unserem Tisch fängt an, ein falsches Pronomen für mich zu benutzen oder abfällig über mich zu sprechen – dann muss man als Ally einfach einschreiten und als verbündete Person mit mir agieren.

Genauso wie primitiv, wie dieses Beispiel gerade klingt, kann man das aber auch aufs Große ziehen: Wenn ich nicht selber für mich und meine Community einstehen kann, wünsche ich mir, dass andere das tun.

Liebe Phenix, danke für dieses tolle und empowernde Interview!

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