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Gender Care Gap: “Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke und das bist meistens du” 

Die Gender Care Gap ist ein allgegenwärtiges Problem, denn viele Mütter sind mit der Sorgearbeit auf sich allein gestellt. Wmn hat mit zwei Müttern darüber gesprochen.

Mutter hält Tochter auf dem Arm
Die meiste Care-Arbeit wird von Frauen übernommen. Foto: Pexels / kelvin octa

Zur Care-Arbeit zählen Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit und sonstige Ehrenämter. Tatsächlich bringen Frauen in Deutschland 52,5 Prozent mehr Sorgearbeit auf als Männer. Das bezeichnet man als Gender Care Gap. Wir haben uns gefragt, wieso dieser Missstand immer noch besteht und haben mit zwei Frauen über ihre Erfahrungen gesprochen.

Gender Care Gap: Eigentlich gar nicht so schlimm?  

Die 52,5 Prozent sind allerdings erst die Spitze des Eisberges. Denn bei den unter 34-jährigen, beträgt die Prozentzahl laut der Data-Journalistin Frauke Suhr ganze 110,6 Prozent. Im Schnitt wendeten Frauen im Jahr 2019 5,18 Stunden pro Tag für die Care-Arbeit auf. Männer hingegen 2,31 Stunden. Die Corona-Pandemie hat das Problem deutlich verstärkt. So haben das Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), das Sozio-ökonomische Panel und die Mannheimer Corona-Studie belegt, dass die Rollenverteilung mittlerweile wieder auf dem Stand der Generation unserer Großeltern angelangt ist. Ein massiver Rückschritt. 

Die Anzahl der Stunden, die Männer für die Care-Arbeit aufwenden, hat sich zwar in den letzten Jahren erhöht, doch seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Stunden für Frauen laut einer Umfrage der Bertelsmannstiftung seitdem auf 7,5 Stunden pro Tag erhöht. Eine Zahl, die für viele weit über die Belastungsgrenze hinausgeht. 

Eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts hat außerdem ergeben, dass die Pandemie die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verstärkt hat, zur Lasten der Frauen. Während der Omikron-Welle im Januar 2022, haben Frauen laut einer Info-Grafik von Quarks die Kinderbetreuungszeit zu sieben Prozent erhöht. 

Wie kann es also sein, dass wir uns in diesem Punkt eher zurückentwickeln, statt voranzukommen? 

Frau legt Klamotten zusammen
Prozentual gesehen, leisten Frauen die doppelte Menge an Care-Arbeit. Foto: Pexels / Sarah Chai

Seit wann besteht das Problem?

Die Soziologin Jutta Allmendinger spricht hier von einer “entsetzlichen Retraditionierung”. So ist bei Müttern die Arbeitszufriedenheit deutlich stärker zurückgegangen als bei Vätern. Das Problem besteht außerdem nicht erst seit gestern. Denn schon seit den frühen 80ern wurde im Parlament über die Lage der Frauen in unserer Gesellschaft ausführlich beraten. Schon damals waren dies keine unbekannten Probleme: Die riesigen Unterschiede in den Erwerbsquoten, in den Arbeitszeiten, in der Dauer der familienbedingten Erwerbsunterbrechungen, im Stundenlohn zwischen Männer- und Frauentätigkeiten, im Stundenlohn für dieselbe Arbeit, in den Erwerbsquoten und in der Zeit, die für Kinder, Hausarbeit und Betreuung von Familienmitgliedern aufgewendet wird. 

Nicht zuletzt ist ein Problem dafür die Altersrente. Die sammelt jede einzelne Stunde in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung über den gesamten Lebensverlauf. Bis zum Jahr 2015 beträgt die Witwenrente 60 Prozent der Altersrente der Männer, höher als die selbst erwirtschafteten Altersrenten der Frauen. Bis vor kurzen lohnte sich demnach die Ehe mehr als die Arbeit an sich.  

Seit etwa vier Jahren hat sich dies leicht geändert und auch die Erwerbsquote der Frauen ist gestiegen. Allerdings arbeiten die Frauen laut der Zeit dann meistens in Teilzeit, was Nachteile für die Karriere mit sich ziehen kann. 

Frau hält Hand eines Kindes
Viele Frauen berichten von einer unfairen Aufteilung. Foto: Pexels / William Fortunato

2 Frauen berichten: So ist es, die meiste Care-Arbeit allein zu machen  

Stefanie (26): “Müsste ich es prozentual angeben, übernehme ich schon 70-80 Prozent der Care-Arbeit. Indem mein Mann während meiner Elternzeit arbeitet, kümmert er sich indirekt auch um das Kind und sichert uns ab. Allerdings ist er dadurch die Hälfte der Woche nicht zu Hause, das stellt ein Problem dar, da ich mich um alles allein sorgen muss: Das Kind, den Haushalt, unsere Katzen und meine eigenen Befindlichkeiten. Da bleibt wenig Zeit für Erholung. Es ist herausfordernd, denn man kann nicht allem gerecht werden. Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke und das bist meistens du. Die alltäglichen Dinge, wie einfach mal in Ruhe ins Badezimmer gehen oder Mittagessen sind für mich alle nicht drin. 

Dabei ist es auch wichtig den Mental Load zu beachten, denn ich muss alles bedenken: Es müssen Windeln gekauft werden, morgen steht ein Termin an und wann war nochmal das letzte Schläfchen meiner Tochter? 

Meiner Meinung nach müsste sich dringend das System ändern. 67 Prozent vom Gehalt reichen in der Elternzeit nicht aus, um sorgenlos zu leben. Auch eine Bewilligung von nur 12 Monaten ist nicht ausreichend. Viele können sich ein Kind einfach nicht mehr leisten. Auch Vätern sollte es ermöglicht werden, leichter Elternzeit zu nehmen. Auch ein leichterer Zugang zu Kita-Plätzen wäre sinnvoll, so würde sich die Work-Life-Balance der Eltern ausgleichen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass auch Männer dazu ermutigt werden, sich mehr zu engagieren.” 

„Care-Arbeit sollte als richtige Arbeit angesehen werden.“

Viktoria (25): „Wenn wir von einem ganz normalen Alltag sprechen, ist die Rollenverteilung eigentlich immer ganz klar. Meistens bin ich diejenige, die morgens aufstehen muss, unseren Sohn füttern muss und mich kümmern muss. Mein Mann ist sich keinesfalls zu schade die Arbeit zu übernehmen, es sind auch keine schlimmen Situationen, nur eine Art Selbstverständlichkeit, dass die Kleinigkeiten eben von mir übernommen werden.

Gesellschaftlich gesehen ist es sehr problematisch, wenn mein Kind zum Beispiel in der Öffentlichkeit einen Wutanfall bekommt. Die Blicke und Kommentare der Menschen zeigen mir in solchen Situationen oft, dass gedacht wird: „Ihr Kind schreit, sie hat anscheinend überhaupt nichts im Griff.“ Da kommt man manchmal an seine Grenzen. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft offener darüber spricht, dass solche Situationen auch völlig normal sind.

Ein Problem ist ebenfalls, wenn das Kind krank ist und man selbst auch. Mein Mann kann glücklicherweise aus dem Home Office arbeiten, aber meist bleibt da nur die Zeit, ab und zu mal nach uns zu schauen. Es gibt zwar Kinderkrankentage, die man nehmen kann, falls Partner:innen aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls ausfallen. Allerdings bekommt man vom Arbeitgeber kein Geld für solche Tage und muss meiner Erfahrung nach der Krankenversicherung hinterherlaufen, um das Gehalt für den Tag zu erhalten. Das sind dann 64 Prozent, die die Krankenkasse einem erstattet. Ich finde die Care-Arbeit sollte durchaus auch als richtige Arbeit angesehen werden, denn was soll ich in solchen Situationen tun?“

Gender Care Gap: Wird sich in Zukunft etwas ändern? 

Lösungsansätze gibt es bereits. So gibt es heutzutage zumindest das Anrecht auf einen Krippenplatz und auch die Schule bietet eine Nachmittagsbetreuung an. Ist das genug? Laut Jutta Allmendinger keinesfalls. So wünscht sie sich mehr Vätermonate in der Betreuung von Kindern. Mehr Anreize für Teilzeit bei Vätern. Weg mit dem Ehegattensplitting. Eine höhere Tarifierung für Tätigkeiten, die meist von Frauen ausgeübt werden. 

Sie sieht die Notlage während der Pandemie allerdings auch als Chance, es in Zukunft besser zu machen. 

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