Du liebst verlassene Orte und geheimnisvolle Geschichten? Dann merk dir diese 8 Lost Places in Deutschland: Hier steht die Zeit still.
Gruorn, erstmals 1254 urkundlich erwähnt, war über Jahrhunderte ein lebendiges Bauerndorf. Doch Mitte der 1930er Jahre änderte sich alles. Das Deutsche Reich plante, den nahegelegenen Truppenübungsplatz Münsingen zu erweitern. Die Folge: 1937 mussten die rund 665 Einwohner:innen ihr Zuhause verlassen. Häuser, Scheunen und Höfe wurden dem Militär überlassen. Nur das ehemalige Schuhhaus blieb noch teilweise erhalten, der Rest des Dorfes fiel Übungen und Verfall zum Opfer. Später wurde auch die Stephanuskirche wieder aufgebaut. Die Geschichte dieser Vertreibung ist kein Einzelfall, aber Gruorn hat eine Besonderheit: Der Ort wurde nie wieder besiedelt. Stattdessen blieb er ein stummer Zeuge der Geschichte – bis heute. 2005 wurde der Truppenübungsplatz Münsingen aufgelöst, und das Gebiet wurde Teil des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Gruorn wurde zugänglich, aber die Natur hatte längst begonnen, sich das Gelände zurückzuholen. Wacholderheiden, Blumenwiesen und sanfte Hügel prägen die Umgebung. Der langsame Verfall der Ruinen harmoniert mit der wilden Schönheit der Landschaft und macht Gruorn zu einem Ort, der gleichzeitig melancholisch und friedlich wirkt. Credit: imago images/Arnulf HettrichBis 1946 lebten rund 120 Menschen in Wollseifen, einem typischen Eifeldorf. Doch das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte eine unvorhergesehene Wende. Die britischen Streitkräfte erklärten das Gebiet zum Truppenübungsplatz und zwangen die Bewohner:innen innerhalb von drei Wochen, ihr Dorf zu räumen. Im Kirchturm fanden Dohlen ein neues Zuhause, während Eulen in den Ruinen ihre Nester bauten und Unkraut die einstigen Straßen und Häuser überwucherte. Die Natur eroberte Wollseifen Stück für Stück zurück und die kleine Stadt wurde zum Geisterdorf. Heute existieren in Wollseifen noch einige Gebäude. Drei davon sind noch original erhalten, darunter die Kirche und die Schule. Bei den anderen Gebäuden handelt es sich um „Übungsgemäuer“ des Militärs. Als die Soldat:innen 2006 abgezogen wurden, machten ehemalige Wollseifener Bürger:innen aus ihrem alten Dorf einen Ort der Erinnerung. Modell, Bilder, Texte und Tafeln machen den Ort in historischer Hinsicht wieder lebendig. Und es wäre nicht ein Lost Place, wenn es nicht inzwischen auch die eine oder andere Schauergeschichten geben würde.
Credit: IMAGO/CHROMORANGESchloss Dwasieden liegt auf der Insel Rügen auf einer Anhöhe über der Ostsee. Gebaut wurde es Ende des 19. Jahrhunderts von dem Berliner Bankier Adolph von Hansemann. Lange Zeit galt es als eine der prachtvollsten Residenzen der Region, ausgestattet mit feinstem Sandstein, großzügigen Sälen und einem weitläufigen Park. Auf der offiziellen Webseite des Schlosses heißt es, dass es das einzige Gebäude in Norddeutschland war, das aus massivem Sandstein, Granit und echtem Marmor gebaut worden ist. Aus diesem Grund war es auch eins der wertvollsten Schlösser der Gegend. Hochrangige Bankiers, das deutsche Kaiserpaar und der Dichter Gerhart Hauptmann sollen sich hier aufgehalten haben. Seine Lage, hoch über der Ostsee, mit Blick auf die Kreidefelsen, machte es zu einem Juwel des Wilhelminischen Zeitalters. Die Architektur: eine Mischung aus italienischer Renaissance und klassischem Stil – ein Symbol für Macht und Reichtum. Schon 1895 beschrieb die Zeitschrift „Daheim – ein deutsches Familienblatt“ das Schloss wie folgt: Wir drehen uns um, vom Meere aus in den Wald sehend – da steht vor uns Schloß Dwasieden! Ja, so muß Dornröschens Palast ausgesehen haben – umkränzt von dichtem Walde, still und geheimnisvoll, wie ein Gedicht zum Himmel steigend.Credit: Michael – stock.adobe.comDas Alte Stadtbad wurde nach Plänen des Leipziger Architekten und Stadtbaurates Otto Wilhelm Scharenberg als repräsentative Dreiflügelanlage unweit des Hauptbahnhofs gebaut. Eröffnet wurde es zwischen 1913 und 1916 und galt damals als architektonisches Meisterwerk. Mit einer Mischung aus Jugendstil und Neobarock bot es nicht nur ein modernes Badeerlebnis, sondern war auch eines der modernsten Hallenbäder Europas. Ein besonderes Highlight war das Wellenbad, in der 384 Quadratmeter großen Herrenhalle im Nordflügel – einst das größte Schwimmbecken der Stadt. Frauen durfte hier jedoch nicht schwimmen, sie mussten ihre Bahnen in einer separaten Schwimmhalle im Südflügel ziehen. Was heute kaum noch vorstellbar ist, war damals keine Seltenheit. Auch das weitere Angebot setzte für die damalige Zeit neue Maßstäbe: Neben Wannen- und Schwitzbädern gab es galvanische und Vierzellenbäder, eine orthopädische Turnhalle, eine medizinische Wannenabteilung und ein Inhalatorium. Im Obergeschoss befand sich die im maurischen Stil gestaltete Damensauna. Mit ihren Säulen, Bögen, Goldverzierungen, Arabesken und Mosaiken wirkte sie wie ein Ort aus 1001 Nacht – ein wahres Schmuckstück für Historiker:innen. Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Gebäude fast unversehrt, spielte jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten eine immer geringere Rolle im Alltag der Leipziger:innen. Im Jahr 2004 wurde das Bad schließlich aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Credit: imago images/Sylvio DittrichDie Völklinger Hütte erstreckt sich über 600.000 Quadratmeter und ist weit mehr als nur ein Lost Place. Sie ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und eine der eindrucksvollsten Industriekulturstätten Europas. In ihren aktiven Jahren, von 1873 bis 1986, wurden hier Millionen von Tonnen Stahl produziert – es war das Rückgrat der industriellen Revolution und des Wiederaufbaus Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute stehen die Hochöfen still und das Gelände hat sich in eine beeindruckende Bühne für Geschichte, Kunst und Kultur verwandelt. Wenn du durch die verwitterten Stahlanlagen läufst, kannst du die harte Arbeit der Tausenden Menschen fast noch spüren, die in glühender Hitze geschuftet haben. Die massiven Hochöfen und gewaltigen Gaskessel sind noch erhalten. An den Wänden siehst du die Spuren jahrzehntelanger Arbeit: Rost, der sich über die eisernen Stützen frisst, und Graffiti, die von den Menschen erzählen, die sich seit der Stilllegung der Hütte hierhin verirrt haben. Credit: fra – stock.adobe.comDas Hotel Waldlust wurde 1902 eröffnet und erlebte goldene Zeiten, als die High Society von überall her anreiste, um sich in den prunkvollen Sälen zu vergnügen. Vor allem in den 20er und 30er Jahren wurde in dem Hotel ausgiebig getanzt, gefeiert und gelacht – von einem Lost Place war der Ort weit entfernt. In den luxuriösen Zimmern mit spektakulärem Blick auf die bewaldeten Hänge residierten prominente Gäste und Adelige. Die Königin der Niederlande, Mark Twain, Gerhart Hauptmann oder Alfred Bernhard Nobel sollen hier übernachtet haben. Doch die Zeit war dem Gebäude nicht gnädig. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Glanz zu verblassen, und das einstige Nobelhotel wurde nach und nach sich selbst überlassen. Das Hotel hat viel erlebt und nicht alle Bewohner:innen können sich von dem Gebäude lösen – das zumindest behaupten Besucher:innen des Hauses. Es heißt, dass der Geist der ehemaligen Besitzerin, Gräfin von Haugwitz-Hardenberg-Reventlow, noch immer im Hotel verweilen würde. Gäste und Mitarbeiter:innen wollen sie in ihrem weißen Kleid gesehen haben, wie sie durch die Säle schwebe, und manch einer berichtet von unerklärlichen Phänomenen – Türen, die sich von selbst öffnen, und Lichter, die flackern, obwohl niemand im Raum ist. Was genau an den Geschichten dran ist, muss wohl jeder/jede für sich selbst entscheiden. Wer sich von der Atmosphäre aber selbst überzeugen möchte, kann das Hotel Waldlust auch heute noch besichtigen. In den 1930er Jahren ließ die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ diesen gigantischen Bau mit dem Ziel errichten, das größte Seebad der Welt zu schaffen. Mehr als 20.000 Menschen sollten hier gleichzeitig Urlaub machen – eine bizarre Idee in einem Deutschland, das sich auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitete. Die Pläne für den Massen-Urlaub wurden nie realisiert, denn der Krieg machte alle Träume von Sonne und Strand zunichte. Was blieb, war ein Bauwerk, das in seiner schieren Größe und Kälte die Ideologie widerspiegelt, die es erschaffen hatte. Später nutzte die DDR die Gebäude für militärische Zwecke. Dafür wurden sie immer wieder um- und ausgebaut, Prora wurde zum Sperrgebiet. Nach 1990 löste die Bundeswehr den Militärstandort auf. Doch nach anfänglicher ziviler Zwischennutzung verfiel ein Großteil der ehemaligen Kasernen und Prora geriet in Vergessenheit. Die Gebäudeteile stehen teils leer, manche brechen in sich zusammen. Doch nicht alles ist verfallen. Seit 2004 verkauft man die Blöcke einzeln, dadurch wurden einige von ihnen zu Wohn- und Hotelanlagen umgestaltet. Moderne Apartments und Museen bringen neues Leben in die alten Gemäuer – und für Geschichtsinteressierte gibt es noch immer ein Museum, das die wechselhafte Historik des Ortes beleuchtet und an die damalige Zeit erinnert.
Credit: Lukas – stock.adobe.comEine Pyramide erwartet man wohl eher in fernen Ländern, statt im beschaulichen Niedersachsen. Doch genau dort steht sie – in Derneburg, einem Ortsteil der Gemeinde Holle mit etwa 7.000 Einwohner:innen. Selbst als jemand, der in Niedersachsen aufgewachsen ist, war mir dieses ungewöhnliche Bauwerk bislang unbekannt. Nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege handelt es sich bei dem alten Gemäuer um ein „beeindruckendes und in seiner Art einmaliges Ensemble aus Architektur, Gartengestaltung und Landschaftsinszenierung“, berichtet die kreiszeitung. Ganz so überraschend taucht die Pyramide dann aber doch nicht auf, denn sie ist Teil des sogenannten Laves-Kulturpfades – einem 2,5 Kilometer langen kulturhistorischen Rundweg um das Schloss Derneburg. Credit: Heidi – stock.adobe.com