Veröffentlicht inPsychologie

Narzissmus im Alter: Wenn sich das Gewissen meldet

Ist der Narzisst im Alter einsam und reflektiert sein lebenslanges Handeln? Studien zeigen: Ganz so einfach ist es nicht.

Narzisst im Alter reife Frau im Portrait
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Narzissmus kann eine Beziehung wirklich schwer bis zu unmöglich machen. Sind dir noch weitere Verhaltensweisen begegnet?

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist heutzutage Gegenstand intensiver Forschung und fasziniert noch immer Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt. So untersuchen Forscherteams auch, wie sich der Narzisst im Alter verändert und welche Faktoren seine Persönlichkeit prägen. Eine Studie brachte nun zu Tage, dass der Narzissmu im Alter tatsächlich abnimmt. Woran genau liegt das?

Der Narzisst im Alter – er bekommt ein Gewissen und macht Kompromisse

Mit zunehmendem Alter verändern wir uns, werden ruhiger, gelassener und vielleicht auch etwas weniger eitel. So soll es zumindest bei Narzissten der Fall sein, zeigt eine umfangreiche Studie, über die Esanum zuletzt berichtete. 1992 wurden in einer Untersuchung insgesamt 486 Studierende der University of California befragt. Jetzt – 23 Jahre später – befragte das Forschungsteam 237 Teilnehmende von damals erneut. Die Ergebnisse sollen nach Ansicht der Wissenschaftler:innen für die gesamte Generation X gelten.

Frau sieht sich im Spiegel an.
Narzisstische Menschen nehmen im Alter häufig Führungspositionen ein. Foto: Shutterstock/Arthur Bargan

Die Mitverfasserin der Studie Professorin Emily Grijalva erklärt dazu: „Die früheren Forschungen gingen davon aus, dass Menschen im Verlauf der Zeit zunehmend reifer werden. Das zeigt sich auf dem Weg vom jungen Erwachsenenalter zum mittleren Alter daran, dass sie gewissenhafter, kompromissbereiter und emotional stabiler werden. Angst und Depressionsgefühle nehmen hingegen ab.“ Ist dieser Reifeprozess auch bei Narzissten im Alter zu beobachten?

Laut der Forscherin bildet der Narzissmus gewissermaßen die „Antithese zur Reife“, denn Reife wird in der Untersuchung im Hinblick auf zwischenmenschlichen Umgang und Produktivität in der Gesellschaft definiert. Da die meisten Teilnehmenden mit 41 Jahren jedoch noch genauso narzisstisch waren wie im Alter von 18 Jahren, trifft die Reife-Theorie hier nicht zu. Bei 3% der Befragten wurde sogar ein gesteigertes narzisstisches Verhalten deutlich.

Eitelkeit und Anspruch nehmen deutlich ab

Für Narzissten typische Charaktermerkmale wie Eitelkeit nehmen laut Studie mit dem Älterwerden ab. Dazu tragen insbesondere ernsthafte Beziehungen bei, die mitunter in einer Trennung endeten oder aus der Kinder hervorgingen.

Auch der Drang, eine Führungsrolle einzunehmen und einen hohen Anspruch zu haben, schwindet im Alter mehr und mehr. Für den Forscher Brent Roberts eine überraschende Wendung: „Für mich war die Annahme plausibel, dass auch in diesem Fall ein vergleichbarer Anstieg in puncto Führungsvermögen stattfindet.“

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Narzissten häufig in Führungspositionen

Auch wenn der Drang, die Führung zu übernehmen, im Alter zu schwinden scheint. Die Studie zeigt auch: Wer narzisstisch ist, arbeitet häufig später in Führungspositionen. Weiter erklärt Emily Grijalva: „Außerdem war zu erkennen, dass die Überwachung Anderer zu einer geringeren Abnahme des narzisstischen Verhaltens führten. Das zeigt, dass Führungspositionen zur Aufrechterhaltung von Narzissmus beitragen können.“

In welchem Alter ist Narzissmus am stärksten?

Narzissmus kann sich in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark äußern, wobei die Intensität von Person zu Person variiert. Im Allgemeinen nehmen Expert:innen an, dass narzisstische Züge in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter stärker ausgeprägt sein können. Dies ist teilweise auf die Identitätsbildung und Selbstfindung zurückzuführen.

Weiterhin deuten Studien darauf hin, dass narzisstische Merkmale mit zunehmendem Alter abnehmen können. Wie bereits erwähnt spielen dabei der Reifungsprozess, die Lebenserfahrungen und die zunehmende Fähigkeit zur Empathie und Reflexion eine zentrale Rolle. Narzissmus als Teil einer Persönlichkeitsstörung ist über die gesamte Lebensspanne hinweg beständig und kann professionelle Hilfe erfordern.

Wird ein Narzisst im Alter noch schlimmer?

Ob ein Narzisst im Alter schlimmer wird, kann nicht pauschal beantwortet werden, da dies stark von der individuellen Person und ihren Lebensumständen abhängt. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen narzisstische Merkmale im Alter stärker hervortreten oder problematischer werden können. Das kann verschiedene Ursachen haben:

  1. Verlust von Status und Macht: Im Alter erleben viele Menschen Verluste in Bezug auf ihren beruflichen Status, körperliche Fähigkeiten und Unabhängigkeit. Für Menschen mit starken narzisstischen Zügen kann dies besonders schwierig sein, da ihr Selbstwertgefühl oft eng mit äußeren Erfolgen und Anerkennung verknüpft ist.
  2. Einsamkeit und soziale Isolation: Wenn narzisstische Personen über die Jahre Beziehungen beschädigt oder verloren haben, können sie im Alter zunehmend isoliert sein. Dies kann zu verstärkter Verbitterung oder Wut führen.
  3. Umgang mit Alterungsprozessen: Die Konfrontation mit dem Altern und der eigenen Vergänglichkeit kann bei narzisstischen Personen zu einer Verstärkung der Symptome führen, vor allem, wenn sie darum kämpfen, ihre früheren Lebenserfolge aufrechtzuerhalten.

Sind Narzissten im Alter einsam?

Wie jeder andere auch kann der Narzisst im Alter mit Einsamkeit konfrontiert sein. Das kann daran liegen, dass Narzissten oft Probleme haben, stabile und tiefgehende Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Somit sind sie im Alter häufiger allein. Hinzu kommt, dass sie sich möglicherweise schwer damit tun, sich an die Veränderungen des Alters anzupassen, was ihre Fähigkeit zur sozialen Interaktion und zum Aufbau neuer Beziehungen beeinträchtigt.