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McDonald’s, Coca Cola & die One Love Binde: Heuchelei bei der WM?

Die WM in Katar wird von allen Seiten heftigst kritisiert – allein schon wegen der homophoben Gesetze des Landes.

Die deutsche Nationalmannschaft vor ihrem Spiel gegen Japan. Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Seit Sonntag ist die WM in Katar im vollen Gange. Doch genau wie vor dem Turnier ist auch der Diskurs währenddessen hitzig, mit wenig Fokus auf den Sport. Gerade in Europa wird neben der FIFA das Gastgeberland Katar wegen ihrer Menschenrechtsverstoße, homophoben Gesetze und den Misshandlungen von Gastarbeiter:innen kritisiert. Wir haben uns deswegen mal zwei Sponsoren und Partner der WM angeschaut, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit der FIFA-WM jetzt des Rainbow-Washings beschuldigt werden.

Foto: Johanna Urbancik

Unsere Autorin Johanna befasst sich mit Themen, die unsere Gesellschaft gerade beschäftigen. Ihre Recherchen und Artikel findest du unter dem Tag #wmnRecherchen!

Der Diskurs um die „OneLove“-Binde

Sieben europäische Mannschaftskapitäne wollten mit einer „OneLove“-Binde die Spiele absolvieren. Das wurde von der FIFA untersagt, mit der Begründung, dass die Binden von ihnen gestellt werden. Mit der „OneLove“-Binde wollten die Teams ein Zeichen für Toleranz und Akzeptanz setzen. Der DFB hat die Entscheidung der FIFA als Zensur bezeichnet. Heute Morgen wurde ebenfalls vom DFB bekannt gegeben, dass sie mit rechtlichen Schritten gegen die FIFA vor Gericht ziehen wollen.

Manuel Neuer hat die One Love Armbinde bei dem Testspiel gegen den Oman getragen. Foto: IMAGO / Ulmer/Teamfoto

In Katar ist Homosexualität illegal und die harte Haltung des Landes in Bezug auf die LGBTQ+- Community steht im Mittelpunkt der Interesse der Weltöffentlichkeit. Seit Anfang der WM wurden Berichte veröffentlicht, in denen es heißt, dass Fans und Journalist:innen aufgefordert worden sind, regenbogenfarbene Kleidung, Flaggen und Binden abzunehmen.

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Anmerkung: Grant Wahl, der oben abgebildete Journalist, ist bei dem Viertelfinalspiel zwischen Argentinien und den Niederlanden auf der Medientribüne des Lusail Stadions zusammengebrochen. Rettungskräfte hatten noch lebensrettende Maßnahmen eingeleitet und ihn ins Hamad General Hospital gebracht. Wahl starb im Alter von 48 Jahren eines natürlichen Todes, wie das ZDF berichtet.

Die Reaktion der deutschen Nationalmannschaft bei ihrem ersten Spiel gegen Japan

Die deutsche Nationalmannschaft hat ihr erstes Spiel dieser WM am 23. November angegangen. Wie zu erwarten, hat Kapitän und Torwart Manuel Neuer nicht die OneLove-Binde getragen. Thomas Müller, Spieler der Nationalmannschaft, hat am Abend vor dem Spiel ein Statement auf Instagram geteilt. In seinem Beitrag verteidigt er seine Mitspieler und kritisiert die FIFA. Er schreibt unter anderem: „Wer von uns Fußballern erwartet, dass wir unseren Pfad als Sportler komplett verlassen und unsere sportlichen Träume, für die wir ein Fußballerleben lang gearbeitet haben, aufgeben, um uns politisch noch deutlicher zu positionieren, der wird enttäuscht sein.

Ganz ohne Statement hat die National 11 dann aber doch nicht das Spiel begonnen. Bei dem obligatorischem Gruppenfoto hat sich die Mannschaft den Mund zugehalten. Auf Instagram schreibt das DFB Team folgendes zu dieser Aktion: „Wir wollten mit unserer Kapitänsbinde ein Zeichen setzen für Werte, die wir in der Nationalmannschaft leben: Vielfalt und gegenseitiger Respekt. Gemeinsam mit anderen Nationen laut sein. Es geht dabei nicht um eine politische Botschaft: Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das sollte selbstverständlich sein. Ist es aber leider immer noch nicht. Deshalb ist uns diese Botschaft so wichtig. Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten. Unsere Haltung steht.

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Katars LGBTQ+-Rechte kurz erklärt

Seit 2004 sieht Artikel 296 des geltenden katarischen Strafgesetzbuchs für jegliche sexuelle Handlung zwischen Männern eine Freiheitsstrafe zwischen einem und drei Jahren vor. Dies ist eine geringfügige Änderung des ursprünglichen Gesetzes, das eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für männliche Homosexualität vorgesehen wurde. 

Zudem gibt es auch ein Gesetz, das sich das Gesetz zum „Schutz der Gemeinschaft“ nennt. Dieses erlaubt den katarischen Streitkräften, Personen bis zu sechs Monate ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festzuhalten, wenn es „begründete Gründe für die Annahme gibt, dass der Angeklagte ein Verbrechen begangen haben könnte„.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben seither Berichte über die Misshandlung von LGBT-Menschen in Katar veröffentlicht. Human Rights Watch hat zwischen 2019 und 2022 sechs Fälle von schweren und wiederholten Schlägen und fünf Fälle von sexueller Belästigung in Polizeigewahrsam in Katar dokumentiert. Die Sicherheitskräfte haben die Personen an öffentlichen Orten aufgrund ihrer Geschlechtsidentität festgenommen und rechtswidrig ihre Telefone durchsucht. Als Voraussetzung für ihre Freilassung ordneten die Sicherheitskräfte an, dass inhaftierte Transgender-Frauen an einer Konversionstherapie in einem staatlich geförderten Zentrum für „Verhaltensmedizin“ teilnehmen müssen.

Weiterlesen: wmn hat sich auch die Frauenrechte in Katar angeschaut und erklärt, was Besucher:innen beachten sollten.

Was sagen die Sponsoren dazu?

Genau wie jedes andere Sportturnier wird auch diese WM von den größten internationalen Firmen gesponsort. Darunter fallen zum Beispiel Firmen wie Coca-Cola, Adidas und Hyundai, die offizielle Partner sind, und McDonald’s, die das Event gemeinsam mit Budweiser sponsern. Die gesamte Liste der Sponsoren und Partner der WM in Katar findest du auf der offiziellen FIFA-Website.

Bis jetzt hat noch keines dieser Unternehmen ein Statement veröffentlicht, in dem es die homophoben Gesetze des Landes kritisiert. Das haben sie allerdings schon bei der Weltmeisterschaft in Russland im Jahr 2018 nicht gemacht. Russland hat ähnlich homophobe Gesetze wie das kleine Emirat. Coca-Cola hat lediglich ein Statement veröffentlicht, in dem sie die menschenrechtswidrige Behandlung von Gastarbeiter:innen verurteilen, aber anmerken, dass sie an positive Veränderung im Land glauben.

Rainbow Washing bei der WM

Gerade Coca-Cola und McDonald’s sind für etliche regenbogenfarbene Kampagnen während der jährlichen Gay-Pride bekannt.

Was ist „Pride“ eigentlich, und was hat sie mit einem Regenbogen zu tun?
Das Wort „Pride“ ist ein integraler kultureller Begriff in der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Queers und Intersexuellen (LGBTQI) und steht für Solidarität, Kollektivität und Identität sowie für den Widerstand gegen Diskriminierung und Gewalt. Das Event wird häufig mit Regenbogenfarben in Verbindung gebracht. Im Auftrag von Harvey Milk, einer historischen Figur im Kampf für LGBTQ-Rechte, entwarf Gilbert Baker eine Regenbogenflagge mit acht verschiedenen Farben, die heute zum Symbolbild der LGBTQI+-Community geworden ist.

Erst dieses Jahr hat McDonald’s zum Beispiel ein Statement auf seiner Website gepostet, in dem das Unternehmen schreibt, dass es sich das ganze Jahr über die Integration der LGBTQ+-Community einsetze, da die Firmenwerte auf Integrität beruhen. „Das bedeutet, dass wir unsere Türen für jeden öffnen und das Richtige tun.“ Zum Start der WM hat die Fast-Food-Kette übrigens neben ihrem Sponsorship auch in Brasilien einen neuen Burger auf den Markt gebracht: den McQatar.

Auch Coca-Cola schreibt LGBTQIA+-Rechte während der Pride-Saison groß. Danach dann anscheinend nicht mehr. Das Unternehmen schreibt auf seiner Website, dass Akzeptanz, Respekt und Diversität seit jeher zu den Kernwerten von Coca-Cola gehören. Während Pride hat das Unternehmen unter anderem regenbogenfarbene Coca-Cola-Flaschen und NFTs verkauft und international Werbung geschaltet.

Coca-Cola hat am Times Square in New York City Pride-Werbung geschaltet. Foto: Noam Galai / Kontributor via Getty

Coca-Cola, McDonald’s & Co. werden des Rainbow Washings beschuldigt

Viele Menschen beschuldigen beide Firmen daher des Rainbow-Washings. Aber was ist das eigentlich? Unter Rainbow Washing versteht man die Verwendung von Regenbogenfarben in der Werbung und Außenkommunikation. Diese soll die Unterstützung für die LGBTQ+-Gleichstellung signalisieren. Rainbow Washing erlaubt, mit einem Minimum an Aufwand Verbraucher:innen zu gewinnen. Man tut so, als ob, nur weil es dem Zeitgeist entspricht.

Übrigens, selbst Fußballikone David Beckham hat einen Multimillionen-Deal mit Katar für die WM unterzeichnet, um als Botschafter aufzutreten. Auch er wird dafür heftig kritisiert. Der britische Comedian Joe Lycett hat den Ex-Fußballstar öffentlich aufgefordert, als Botschafter zurückzutreten. Er behauptet, Beckham wäre nicht nur eine Fußballlegende, sondern auch eine Queer-Ikone. Diesen Status würde er verlieren, wenn er mit Katar weiterhin zusammenarbeitet. Beckham hat auf diese Forderung natürlich keine Stellung bezogen.

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Kann die WM Katar positiv verändern?

Katar und alle Sponsoren, die bei der Weltmeisterschaft involviert sind, sprechen oft die positiven Veränderung, die die WM mit sich ziehen kann, an. So auch Todd Allen, globaler Vize-Marketingpräsident von Budweiser. Er sagt: „Wir glauben, dass Sport und Fußball ein Leuchtturm für positive Veränderungen in der Welt sein können.“

Dr. Nas Mohamed hat sich gegenüber i-News allerdings eher kritisch zu diesen Aussagen geäußert. Dr. Mohamed ist bis jetzt übrigens der einzige öffentlich geoutete schwule Katarer. Der im amerikanischen Asyl lebende Katarer befürchtet, dass die Zensur und die Kontrolle der Regierung nach der WM nur noch intensiver werden wird. Schon vor dem Turnier haben einige Behörden Fake-Profile auf Dating-Apps erstellt, um diese als Köder zu verwenden. Queere Menschen werden in Hotelzimmer gelockt, um verhaftet und eingesperrt zu werden. Im Falle ausländischer Arbeiter werden sie sogar manchmal geschlagen und vergewaltigt und danach abgeschoben. 

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Dr. Mohamed geht davon aus, dass nach der WM alles getan wird, um den westlichen Einfluss zu beseitigen, den die Weltmeisterschaft mit sich gebracht hat.


Wir haben McDonald’s und Coca-Cola kontaktiert und sie nach einem Statement gefragt.

Bis jetzt haben wir folgende Antwort von Coca-Cola bekommen:

„Wir glauben, dass der Sport Menschen zusammenbringt und eine Kraft für das Gute ist. Wir wollen durch unsere Partnerschaft und unser Engagement bei FIFA-Weltmeisterschaften dazu beitragen, Optimismus und Zusammenhalt in der Gesellschaft weltweit zu fördern.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Veränderungen Zeit brauchen und durch nachhaltige Zusammenarbeit und aktives Engagement erreicht werden können. Wir unterstützen die LGBTQI+-Gemeinschaft seit langem und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass diese Werte weltweit respektvoll vertreten werden.“