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Biphobie: “Man sagt auf der Arbeit nicht unbedingt: Guten Morgen, ich bin übrigens bisexuell” 

Als Bisexualität bezeichnet man laut Definition die sexuelle Orientierung oder Neigung, sich zu mehr als einem Geschlecht emotional und/oder sexuell hingezogen zu fühlen. Aber wie sieht es eigentlich mit der Biphobie aus?

Gemaltes Bild mit Menschen, die LGBTQ-Flaggen hochhalten
Straight Allys und Unterstützer:innen gegen LGBTQ-Feindlichkeit sind wichtiger denn je. Foto: Getty Images /Dusan Stankovic

Biphobie – die Angst vor einer Sexualität? Hier erfährst du, was es mit der Bi-Feindlichkeit auf sich hat und wie es sich für Menschen anfühlt, die eigene Sexualität nicht immer frei ausleben zu können.

Biphobie: Was ist das eigentlich?  

In vielen bisexuellen Netzwerken und Gruppen geht laut bisexualität.org der Begriff der Biphobie herum. Das Phänomen der Biphobie sei so relativ neu und kursiere nicht nur vonseiten der Gesellschaft, sondern auch von homosexuellen Menschen gegenüber bisexuellen Menschen. 

Genauer gesagt bedeutet das laut der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung: “Neben Homo- und Transphobie, gibt es auch Biphobie. Als (noch) nicht gängiges Konzept beschreibt Biphobie die Angst (Phobie, altgriechisch: Angst oder Furcht) vor Bisexuellen, basierend auf spezifischen Stereotypen und Vorurteilen gegen diese, was zu Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung führen kann.” 
 

Zwei Frauen im Portrait, eine hat einen Regenbogen auf den Arm gemalt
Unsichtbar und voller Stereotype: So haben sich viele Vorurteile festgesetzt. Foto: Pexels / Anna Shvets

Stereotype bekämpfen: Woher kommt der Hass? 

Laut Freddy Schindler von queer.de sind bisexuelle Menschen einer besonderen Art der Diskriminierung ausgesetzt. Diese teile sich vor allem in zwei Phänomene auf: Zum einen die Unsichtbarkeit der Community und Sexualität, zum anderen die kursierenden Stereotypen rund um die Bisexualität. Diese Stereotypen und bisexuelle Unsichtbarkeit werden außerdem von Bisexualitätstheoretiker:innen als „Bifeindlichkeit“, „Bi-Negativität“ oder „Monosexismus“ bezeichnet.   

Unsichtbarkeit: Heteronormativität ist die Regel 

Die Unsichtbarkeit der Bisexualität lässt sich vor allem daran erkennen, dass aufgrund des Genders der Partner:innen nicht auf die Sexualität geschlossen werden kann. So kann die Arbeitskollegin, die seit Jahren mit einer männlichen Person in einer Beziehung ist, natürlich trotzdem bisexuell sein. Auch in den Medien seien bisexuelle Menschen laut Schindler unterrepräsentiert bis gar unsichtbar. 

Ein weiterer Punkt ist die heteronormative Denkweise, die in weiten Teilen einer kritischen Betrachtung entgeht. Hinzu kommt, dass die Leugnung der Existenz einer bisexuellen Orientierung in weiten Kreisen verbreitet ist. Ganz frei nach dem Motto: “Du musst dich aber für eine Seite entscheiden.” 

Stereotype: Das ist nur eine Phase? 

Des Weiteren wird die Bisexualität häufig als Phase bezeichnet, hingegen einiger Studien. Wie beispielsweise die der Forscherin Lisa M. Diamond von der University of Utah. Diese hat bisexuelle Frauen vom Jugendalter bis ins Erwachsenenalter nach ihrer Sexualität befragt. Das Ergebnis ist wenig verwundernd: 92 Prozent gaben an, sich ihrer Sexualität weiterhin sicher zu sein und diese keinesfalls als Phase zu bezeichnen. 

Weit verbreitetete Stereotypen und Hass führen außerdem dazu, dass viele bisexuelle Menschen sich nicht trauen sich zu outen. So gaben einige Befragte gegenüber der New York Times sogar an, sich lieber in “komfortablen gegengeschlechtlichen Beziehungen” zu befinden, anstatt sich zu outen und mit Biphobie konfrontiert zu werden. 

Weiterführende Info: Hasskriminalität gegen LSBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und intergeschlechtliche Menschen)

Laut dem Lesben und Schwulenverband wurden dem Bundesministerium im Jahr 2021 mit dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ insgesamt 870 Fälle zugeordnet, davon 164 Gewaltdelikte. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. So schätzt Sebastian Stipp, eine von zwei Ansprechpersonen der Berliner Polizei für queere Menschen, diese auf 80 bis 90 Prozent. Laut ihm werden viele Fälle nicht bei der Polizei angezeigt oder aber nicht richtig als Hasskriminalität vermerkt, sondern „nur“ als Allgemeinkriminalität. 

Zwei Frauen sitzen auf dem Boden und umarmen sich
Mehr Repräsentation: Das wünschen sich viele aus der Community. Foto: Pexels / RODNAE Productions

Biphobie: “Auf der Arbeit sage ich ja nicht: Guten Morgen, ich bin übrigens bisexuell” 

Welche Probleme und Chancen sehen nun gerade junge queere Menschen in unserer Gesellschaft im Hinblick auf Biphobie? Wmn hat mit der 28-jährigen Cristina darüber gesprochen, wie sie sich nach ihrem Outing gefühlt hat. 

Cristina (28): “Wenn man in einer Beziehung ist, die für andere alle Klischees einer Heterobeziehung erfüllt, wird man sofort als hetero abgestempelt. Ich habe oft das Gefühl, dass Bisexualität und generell die LGBTQ+-Community nicht in unsere binäre Welt passen. Das macht alles ein bisschen komplizierter.  
Allerdings denke ich auch, dass diese Komplexität auch etwas Positives haben kann. Wir reden oft direkt von Biphobie oder darüber, wie problematisch Labels eigentlich sein können. Stattdessen könnten wir aber mehr darüber reden, wie sich Labels entwickeln können und dass es in dieser Community eben darum geht, inklusiv zu sein und einen Safe Space für alle zu bieten. 
Ich denke außerdem, dass eine größere Repräsentation der Bisexualität in den Medien das Thema gerade für junge Menschen, die sich gerade noch selbst finden müssen, zugänglicher macht. Dabei denke ich zum Beispiel an die Netflix-Serie Heartstopper. Davon sollte es meiner Meinung nach mehr geben.” 
 

Weiterführende Info: Bi Visibility Day 

Am 23. September ist Bi Visibility Day, auch Celebrate Bisexuality Day genannt. Seit 1999 wird an diesem Tag auf diese Unsichtbarkeit und eine spezifisch antibisexuelle Diskriminierung aufmerksam gemacht. 

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