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Zahnschmerzen bei Kälte? „Ganz wichtig ist eine behutsame Pflege“

Stechende Zahnschmerzen sind im Winter nicht unüblich. Dr. Jochen H. Schmidt verrät im Interview, was dahinter steckt und wer in der kalten Jahreszeit besonders leidet.

Im Winter können die Zähne empfindlich auf Kälte reagieren.. © Lena Ogurtsova/Shutterstock.com
Im Winter können die Zähne empfindlich auf Kälte reagieren.. © Lena Ogurtsova/Shutterstock.com

Viele kennen den plötzlich stechenden Schmerz in den Zähnen, wenn sie das leckere Eis im Sommer berühren. Aber auch während der winterlichen Kälte leiden viele unter Zahnschmerzen. Einer der Hauptgründe dafür sei das fortschreitende Alter und die damit einhergehende Rückbildung des Zahnfleisches, weiß Dr. Jochen H. Schmidt, zahnärztlicher Leiter des Carree Dental in Köln. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät er, warum die Zahnnerven dann besonders sensibel sind und warum wir bei starker Kälte mit den Zähnen klappern.

Wer generell schmerzempfindliche Zähne hat, leidet im eisigen Winter besonders. Wie kommt dieser plötzliche pochende Schmerz bei Kälte zustande?

Dr. Jochen H. Schmidt: Der Grund für die oft heftigen, meist ziehenden oder stechenden Schmerzen: Mit fortschreitendem Alter bildet sich das Zahnfleisch zurück und die Zahnhälse liegen frei – das sind, vereinfacht ausgedrückt, die Übergangsstellen zwischen sichtbarem Zahn und darunter liegender Wurzel. Werden diese Stellen nicht mehr ausreichend durch Zahnfleisch geschützt, so gelangen chemische oder thermische Reize leicht an den Zahnnerv. Entsprechend sensibel reagieren die Dentinkanäle in diesem Fall auf äußere Einflüsse: Vielfach genügen dann bereits ein kalter Luftzug oder ein Schluck heißer Kaffee, um heftige Schmerzen auszulösen.

Welche Menschen leiden häufiger darunter?

Schmidt: Betroffen sind meist Menschen in der zweiten Lebenshälfte, da mit fortschreitendem Alter das Zahnfleisch zurückgeht. Aber auch Patienten mit einer Parodontitis, also einer Entzündung des Zahnhalteapparates, spüren die Eiseskälte oft buchstäblich bis in die Zähne.

Darüber hinaus können übrigens auch Zähneknirschen sowie zu starkes Schrubben der Zähne – mit vielfach zu harten Borsten – freiliegende Zahnhälse verursachen. Ganz wichtig ist deshalb – auch präventiv – eine behutsame Zahnpflege. Mein Tipp: Sanft und kreisförmig die Zähne putzen – am besten per elektrischer Zahnbürste.

Wie kann man die Schmerzen lindern?

Schmidt: Linderung bringen können spezielle Zahnpasten. Diese Cremes enthalten Salze (Kaliumverbindungen oder Arminfluorid), die über verschiedene Wirkmechanismen die Überempfindlichkeit der Zahnhälse minimieren – entweder bilden sie eine dauerhafte Schutzschicht auf dem Zahn oder sie dringen in die Dentinkanälchen (offene Poren) des Zahns ein und verhindern so die Schmerzweiterleitung. Ein Behandlungserfolg stellt sich jedoch meist erst nach drei bis vier Wochen bei täglicher Anwendung ein.

Bewährt haben sich auch Fluorid-Lacke, um die Dentinkanälchen zu verschließen. Das Manko: Nach wenigen Monaten lässt die Wirkung nach und das Präparat muss gegebenenfalls erneut aufgetragen werden. Um die schmerzverursachenden Dentinkanälchen langfristig zu therapieren, empfiehlt sich zudem die tägliche Anwendung einer desensibilisierenden Zahnpasta.

Bei enormer Kälte fangen wir oft an, mit den Zähnen zu klappern. Was steckt dahinter?

Schmidt: Sinken die Temperaturen unter null Grad, so beginnt buchstäblich das große Zittern und Zähneklappern. Denn frieren wir, so versucht sich der Körper aufzuwärmen, indem sich die Muskeln stark anspannen. Werden dabei die Kiefermuskeln aktiviert, schlagen die oberen und unteren Zähne aufeinander und wir klappern hörbar mit den Zähnen. Dieser uralte körperliche Mechanismus funktioniert übrigens auch bei drohender Gefahr „automatisch“: Steigt Angst in uns auf, wird das vegetative Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzt. Die Muskeln spannen so heftig an, dass sie zu zittern beginnen.

Können Kälte und Zähneklappern auf Dauer schädlich für unsere Zähne sein?

Schmidt: Nein, Zähneklappern schadet im Normalfall weder den Zähnen noch dem Schmelz. Auch dem Zahnersatz machen die Muskelkontraktionen üblicherweise nichts aus. Anders sieht es aus, wenn die Zähne permanent knirschen. Schließlich wirken in diesem Fall auf Zähne und Kiefergelenke Kräfte ein, die das Vielfache des normalen Kaudrucks erreichen können – über 100 bis zu 400 Kilogramm pro Quadratzentimeter, sagen neuere Studien. Dieser enorme Druck schadet Zähnen, Zahnfleisch und dem Zahnschmelz. Aber auch Entzündungen der Kiefergelenke, Kopf- oder Nackenschmerzen sind mögliche Folgen des willkürlichen Malmens und Pressens.

Dr. Jochen H. Schmidt ist zahnärztlicher Leiter des Carree Dental in Köln. Er besitzt den akademischen Zusatztitel des „Master of Science in Oral Implantology and Surgery“.

(eee/spot)