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Schönheits-OPs „to go“ werden immer beliebter

Schönheits-OPs sind gefragter denn je. Prof. Dr. Werner Mang erklärt im Interview, woran das liegt und welche Eingriffe er für unnötig hält.

Prof. Dr. Mang ist seit mehr als 30 Jahren als Schönheitschirurg tätig.. © Bodenseeklinik
Prof. Dr. Mang ist seit mehr als 30 Jahren als Schönheitschirurg tätig.. © Bodenseeklinik

Hier eine Nasenkorrektur, da eine Bruststraffung und noch eine kleine Spritze Botox. Wer kleinere oder größere Makel ausbessern möchte, sucht einen Schönheitschirurgen oder eine Schönheitschirurgin auf – auch in Corona-Zeiten. Denn obwohl das öffentliche Leben mehr als ein Jahr zum Großteil stillstand und man weiter selten in größeren Gruppen unterwegs ist, hat der Wunsch nach Optimierung des Aussehens zugenommen, weiß Prof. Dr. Werner Mang (71) von der Bodenseeklinik.

Seit Jahrzehnten ist der Arzt im Bereich der ästhetischen Medizin tätig und findet: „Natürliche Schönheitschirurgie ja, Schönheitswahn nein!“ Doch in den vergangenen Jahren hat er eine Tendenz erkannt, über die er in seinem Buch „Abgründe der Schönheitschirurgie“ (Gräfe und Unzer) berichtet. Welche das ist und weshalb Schönheits-OPs während der Corona-Pandemie boomten, erklärt er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Während der Corona-Krise gab es immer wieder Berichte über einen Boom im Bereich der Schönheits-OPs. Wie kommt das? Welche OPs sind in Corona-Zeiten besonders gefragt?

Prof. Dr. Werner Mang: Ich wundere mich immer wieder, dass in Krisenzeiten der Drang zu Schönheitsoperationen wächst. Im vergangenen Corona-Jahr war kein großer Urlaub im Ausland möglich und wir alle müssen an öffentlichen Orten ohnehin die Gesichtsmaske tragen. Bei vielen war also das nötige Geld für eine OP vorhanden und hinter der Maske sind Schwellungen nicht zu sehen.

Ein weiterer Grund für den Anstieg ist, dass man heute in Video-Konferenzen und bei Facetime schonungslos seine Falten sieht. Früher hat man einmal am Tag in den Spiegel geschaut und das war es. Jetzt wird man aber permanent mit seinen Schlupflidern, Tränensäcken und Gesichtsfalten konfrontiert.

„Kleinere“ Eingriffe mit Botox lassen viele schon in jungen Jahren vornehmen. Ab welchem Alter sollte man frühestens damit anfangen?

Mang: Der Boom in Corona-Zeiten sind ja die Schönheitsbehandlungen „to go“. Man kommt in der Früh und geht am Nachmittag wieder nach Hause oder verbringt ein paar Urlaubstage in der Klinik. Die häufigsten Schönheitsoperationen „to go“ sind Botox, Hyaluronsäure, Lasertherapie, Fadenlift, Mini-Lift, Doppelkinn, Bodycontouring.

Ich bin kein großer Botox-Freund: Botox nicht vor dem 30. Lebensjahr. Was bei zu viel Botox passiert, sieht man ja bei einigen Moderator*innen und Schauspieler*innen.

Wann halten Sie eine Schönheitsoperation für notwendig und wann raten Sie Ihren Patient*innen auch mal ab?

Mang: Etwa zehn Prozent meiner Patient*innen lehne ich ab, wenn – durch das Internet bedingt – unsinnige Eingriffe gewünscht werden wie Mega-Brüste mit Silikonimplantaten über 600 Gramm, Rippen herausschneiden, um eine Taille wie Victoria Beckham zu haben, Fettabsaugung bei einem Bodymaß-Index von 20 und weniger, Barbie-Puppen-Nasen und Kraken-Lippen. All dies sind grauenhafte Wünsche, die in den sozialen Medien kursieren.

Schönheitsoperationen können aber auch segensreich sein, besonders wenn sie von einem guten Facharzt ausgeübt wurden und den Menschen helfen. Dazu gehört meiner Meinung nach die gesamte Alterschirurgie: Schlupflider, Tränensäcke, Facelifting. Jungen und Mädchen, die sich mit einer Höcker-Lang-Nase nicht wohl fühlen oder Atembeschwerden haben, kann eine Nasenoperation helfen. Genauso Mädchen, die von der Oma die Reithose geerbt haben und sich dafür im Schwimmbad schämen – man kann das wunderbar absaugen. Weg mit dem Fett. Auch Mädchen, die Riesen-Brüste oder ungleiche Brüste haben, fühlen sich oft nicht wohl im eigenen Körper. All das sind medizinisch indizierte Schönheitsoperationen.

Sie berichten in Ihrem Buch unter anderem von einem zwölfjährigen Mädchen, das sich beraten ließ, da es unzufrieden war. Sie kritisieren Influencer und TV-Shows wie „Germany’s next Topmodel“. Welche falschen Schönheitsideale werden dort vermittelt und welche Auswirkungen hat das?

Mang: Und da sind wir beim Thema. [Mark] Zuckerberg und Co. haben Monster erschaffen, denn durch Influencer und auch durch Shows wie „Germany’s next Topmodel“ werden falsche Schönheitsideale vermittelt. Mit Photoshop werden Gesichter und Brüste bearbeitet – das hat mit natürlicher Schönheit nichts mehr zu tun und ist ein wahrer Horror für unsere Jugend. Ein Drittel der 12- bis 16-jährigen Mädchen sind heute unzufrieden mit ihrem Aussehen. Da läuft etwas schief in unserer Gesellschaft und in der Schönheitschirurgie tun sich Abgründe auf.

Nahezu wöchentlich sitzen Jugendliche mit ihren Eltern in meiner Sprechstunde und haben abstruse Wünsche und ich versuche dann väterlich zu beraten, dass Schönheit nicht alles ist, im Internet viel gelogen und betrogen wird und dass sie zunächst lieber die Schule fertig machen und Sport treiben sollen. Ich bekomme dann auch immer wieder Dankesbriefe. Das ist für mich der größte Erfolg meiner über 30-jährigen Tätigkeit als Schönheitschirurg. Ich halte es auch nicht für zielführend, dass Heidi Klum ihre Brüste Hans und Franz nennt und sie teilweise öffentlich zur Schau stellt. Das hat sie doch gar nicht nötig. Was ist nur los in unserer Gesellschaft?

(sob/spot)