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Darum bekommen Schwarze weniger Schmerzmittel als weiße Menschen

Über Rassismus in Deutschland können viele Schwarze Menschen ein Lied singen. Eine Studie gibt ihnen jetzt recht.

Rassismus
Eine Studie zeigt jetzt, wie weit verbreitet Rassismus in Deutschand ist. Foto: Getty Images/ LeoPatrizi

Deutschland ist mein Zuhause. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen und dennoch habe auch ich in vielen Bereichen meines Lebens Rassismus erfahren. Wieso? Weil meine Hautfarbe nicht der Norm entspricht. Denn genau wie eine Million Menschen hier in Deutschland habe auch ich afrikanische Wurzeln. Im Kindergarten kam ich das erste Mal mit Rassismus in Berührung, als ein Nachbar mich fragte, ob ich mich nie gründlich wusch. Im Teenageralter gaben mir Jungs Komplimente, dass ich ja „ganz hübsch für eine Schwarze“ bin und während der Wohnungssuche wurde beim Nennen meines Nachnamens öfter als einmal einfach aufgelegt.

Diese Liste könnte ich höchstwahrscheinlich stundenlang so weiterführen, jedoch bin ich kein Einzelfall und es geht um so viele andere Schwarze Menschen, die täglich mit Rassismus in Berührung kommen und das nur, weil sie für so viele die falsche Hautfarbe haben. In welchen Lebensbereichen afrikanische Menschen noch Rassismus erfahren, hat jetzt eine Studie herausgefunden.

Rassismus gegen Schwarze: Schlechte Noten und Polizeikontrollen 

Schwarzen Menschen eine Stimme geben, dafür setzt sich der Afrozensus ein. Auch wenn die Studie nicht repräsentativ ist, zeigt sie doch, welche Erfahrungen Schwarze Menschen in Deutschland machen müssen. Rund 6.000 Menschen haben an der anonymen und freiwilligen Studie teilgenommen, die vom 20. Juli bis 6. September 2021 lief. Durchgeführt wurde die Online-Umfrage vom gemeinschaftlichen Projekt Each One Teach One und Citiziens for Europe, Organisationen, die sich für Vielfalt und Demokratie einsetzen.

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Die Ergebnisse der Studie waren schockierend und brachten bittere Erkenntnisse ans Tageslicht. So sagt Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle: „Die Ergebnisse des Afrozensus zeigen eindrücklich die Erscheinungsformen und Auswirkungen von Diskriminierung und Anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland.“ Entsprechend der Studie fängt der Rassismus schon von klein auf in den Bildungsstätten an, so haben zwei Drittel der 6.000 Befragten aufgrund ihrer Hautfarbe schon öfters die Erfahrungen machen müssen, dass weiße Mitschüler:innen oder Kommiliton:innen bessere Noten als sie selbst erhalten haben.

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Über 3.000 Frauen und Männer, also mehr als die Hälfte, gab ebenfalls an bereits grundlos von der Polizei kontrolliert oder als Drogendealer:in beschuldigt worden zu sein.

Rassismus auch beim Online-Dating 

Afrozensus deckt auch auf, dass es Rassismus nicht nur in den Schulen oder auf dem Polizeirevier gibt, sondern auch bei der Partnersuche. So mussten sich bereits über 80 Prozent der Befragten beim Online-Dating sexualisierte Kommentare zu ihrem Aussehen und ihrer vermeintlichen Herkunft gefallen lassen. Meine Erfahrungen bei der Wohnungssuche spiegeln sich auch bei der anonym durchgeführten Studie wider. Rund 70 Prozent der Schwarzen haben demnach bei einer Wohnungsbewerbung Diskriminierung erfahren, bei muslimischen Menschen sind es sogar 90 Prozent.

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Beim Online-Dating werden Schwarze Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oft sexualisiert. Foto: IMAGO / Westend61

Zwar gab es unter den Teilnehmer:innen auch Menschen die bisher noch keine Erfahrungen mit Rassismus gemacht haben, mit 2,7 Prozent war der Anteil jedoch sehr gering. Rassismuserfahrungen melden und sich wehren? Das kommt für viele nicht mehr infrage, da mehr als 90 Prozent angaben, dass ihnen in der Vergangenheit diesbezüglich schon einmal nicht geglaubt worden ist. Daher würden knapp 75 Prozent ihre Erfahrungen für sich behalten und die Anfeindungen nicht melden.

Wegen Drogenverdacht: Schwarze bekommen schwächere Schmerzmittel

Laut der Online-Umfrage vom Afrozensus haben Schwarze Menschen auch im Gesundheitssektor mit Rassismus zu kämpfen. So gaben zwei Drittel der Befragten an, dass ihre gesundheitlichen Beschwerden beim Arztbesuch nicht ernst genommen werden. Ein Punkt, der Ähnlichkeiten mit einer Studie aus den USA aufweist. 

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Laut einer Studie bekommen Schwarze Menschen von Ärzten weniger Schmerzmittel als Weiße. Foto: istock.com/Sasha Brazhnik /

Eine Studie der University of California in San Francisco fand heraus, dass weiße Menschen in amerikanischen Krankenhäusern eine andere Schmerzbehandlung bekommen als afro- oder lateinamerikanische Patient:innen. Für diesen Zweck wurden 375.000 Fälle aus 13 Jahren untersucht. Heraus kam ein schockierendes Ergebnis: Während 31 Prozent der weißen Menschen in der Notaufnahme starke Schmerzmittel verabreicht bekommen haben, wurden Schwarzen Menschen (23 Prozent) nur leichte Schmerzmittel wie Aspirin verabreicht. Die Gründe hierbei liegen bei rassistischen Stereotypen, da Mediziner:innen einem Schwarzen Patienten eher zutrauen würde Schmerzen vorzutäuschen, um an Drogen zu kommen.

Afrozensus: “Antischwarzer Rassismus ist nicht unser Problem” 

Laut dem Rassismusforscher Daniel Gyamerah hat die Studie nicht die Hilfe bekommen, die sie verdient. „Es war ein wirklich langer Weg, es war ein Kampf.“So konnte die Organisation Each One Teach One nicht auf die Unterstützung der Bundesregierung zurückgreifen und musste die Erhebung der Daten selbst analysieren. Obwohl das laut Gyamerh “ihre menschrechtliche Verpflichtung wäre.” Weiter sagt er: “Antischwarzer Rassismus ist nicht unser Problem. Wir haben ihn uns nicht ausgedacht und nicht erfunden, sondern das Problem ist strukturell.”