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Horst Lichter: Der netteste Schnurrbart der Welt

Entertainer Horst Lichter feiert seinen 60. Geburtstag. Wie das Multitalent aus einer kleinen Eifelgemeinde zum TV-Star wurde.

Entertainer Horst Lichter feiert seinen 60. Geburtstag.. © imago/Eventpress
Entertainer Horst Lichter feiert seinen 60. Geburtstag.. © imago/Eventpress

Wann immer man den Horst im Fernsehen sieht – und es fällt verdammt schwer ihm auszukommen -, glaubt man, ein Wesen aus längst vergangener Zeit wahrzunehmen. Als rauchende Industrieschlote für Wohlstand und sorgenfreie Zukunft standen. Als man Hunger noch „Kohldampf“ nannte und mit Unmengen an Butter und Sahne bekämpfte. Als Männer noch Werner, Karlheinz oder eben Horst hießen.

Horst Lichter, so sein voller (Marken-)Name, trägt einen imposanten Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart, dessen Spitzen kunstvoll aufgezwirbelt auf jeder Seite gut fünf Zentimeter nach oben weisen – sehr old fashioned, aber unübersehbar. Dieser prachtvolle Bart, der seinen Träger zeitlos alt macht, ist sein äußeres Alleinstellungsmerkmal. Doch was wäre der Bart ohne den Horst?

Das Multitalent aus einer kleinen Eifelgemeinde 

Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass der Horst zuerst da war, seit gefühlten 70, 80 Jahren. Es ist allerdings erst 60 Jahre, als dieser Horst Lichter am 15. Januar 1962 inmitten der Wirtschaftswunderjahre in der Eifelgemeinde Nettersheim das Licht der Welt erblickte. Offenbar ist diese Ecke ein fruchtbares Biotop für illustre Persönlichkeiten: Der Universalgelehrte Heinrich Cornelius (1486-1535) stammt von hier, ebenso der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (71). Auch Hape Kerkelings (57) fiktiver Kotzbrocken Horst Schlämmer hat dort sein Unwesen getrieben.

Horst Lichter war und ist beruflich als Koch, Buchautor, Moderator tätig. Oder man wählt gleich die Universalbezeichnung: Entertainer. Nicht selten ist die Meinung zu hören, es spräche Bände für den Niedergang des deutschen Fernsehens, dass so einer wie Lichter eine solche TV-Karriere durchstarten konnte. Doch das wird dem Mann nicht gerecht. In Wahrheit präsentiert er mit weichem Dialekt sein sanftes, rheinisches Wesen, für das ihn sein Publikum so sehr liebt. Das haben andere TV-Größen, die ihren Job von der Pike auf gelernt haben, so nicht drauf.

Loblieder auf den Jubilar

„Es ist kein Schmäh, wenn man Horst Lichter den freundlichsten Mann im deutschen Fernsehen nennt“, schreibt die Tageszeitung „Stuttgarter Nachrichten“. Der Bergmannssohn scheine „der personifizierte Gegenentwurf zur enthemmten Ellbogengesellschaft“ zu sein: „Einer, der andere nicht ständig als Konkurrenz wahrnimmt.“

Die feinste Kolumne der deutschen Presse, das „Streiflicht“ der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), kommt zu dem Schluss, „dass bei so einem Burschen die schillernde Berufsbezeichnung ‚Fernsehkoch‘ einen schalen Beigeschmack“ annehme. Für Lichter sei das so, „als wenn man über Willy Brandt sagen würde, er bliebe den Menschen in Erinnerung, weil er ein guter Gitarrenspieler war“. Lichters Leben, so glaubt die SZ, sei eine „an Höhen und Tiefe reiche Abenteuerbahn, die im Phantasialand bei Köln aufgebaut werden müsste“.

Gesundheitliche Probleme bringen die Wende

Er ist aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im rheinischen Braunkohlerevier, macht nach der Hauptschule eine dreijährige Kochlehre, weil er findet, dass die Menschen beim gemeinsamen Essen am Tisch am verträglichsten seien.

Mit 19 heiratet er, kauft ein Haus – und kommt in finanzielle Nöte. Das Geld, das er als Koch verdient, reicht hinten und vorne nicht aus. Er arbeitet nun wie sein Vater in einer Brikettfabrik und nebenbei nach Feierabend noch fünf Tage in der Woche auf einem Schrottplatz. In dieser Zeit ereilt ihn auch ein erster schwerer Schicksalsschlag: Die erste Tochter stirbt mit nur sechs Monaten am plötzlichen Kindstod.

Als Horst Lichter 26 ist, erleidet er einen Schlaganfall. Wie er unter anderem in der Sat.1-Show „Dinnerparty – Der Late-Night-Talk“ erzählt, bricht er zwei Jahre später erneut mit einem Hirnschlag in Kombination mit einem Herzinfarkt zusammen. Er beschließt sein Leben radikal zu ändern.

Seine Sammel- und Kochleidenschaft 

Lichter kündigt in der Brikettfabrik und arbeitet wieder als Koch. In einem ehemaligen Tanzsaal und alten Autowerkstatt eröffnet er die „Oldiethek“. In dem Lokal lebt er seine Sammel- und Kochleidenschaft gleichermaßen voll aus. Er bekocht seine Gäste in einem Tohuwabohu von Antiquitäten und Trödel. Es gibt keine Karte, gegessen wird, was Lichter am besten kann: unverfälschte Hausmannskost.

Das Geschäft läuft glänzend, muss es auch, denn Horst Lichter hat ein teures Hobby: Er sammelt alte Motorräder und Autos. Zeitweise stehen ein Austin Healey, ein Jaguar E-Type, ein antiker Opel GT in seinen Garagen. Er selbst sagt, dass er bis zu 100 Autos besessen habe. Einmal, so erzählt er der „Auto, Motor, Sport“, sei er mit seinem damaligen Ferrari 330 im Schritttempo durch ein Tal der Eifel geschlichen, damit sich niemand über dem markanten Sound des Zwölfzylinders ärgert. „Doch eines Tages fragte mich so ein alter Eifel-Bauer: ‚Kann der net oder willste net?‘ Das war für mich dann das Startzeichen.“

Irgendwann muss er feststellen, dass er total überschuldet ist. „Ich hatte eine Million Euro Miese […] Das war eine Summe, die mir Angst gemacht hat“, sagt Horst Lichter in „Dinnerparty – Der Late-Night-Talk“. Seine heutige (dritte) Frau Nada habe ihn damals gerettet. Sie arbeitet als Kellnerin in Lichters „Oldiethek“ und habe ihre gesamten Ersparnisse zusammengekratzt, damit er seine Schulden abbezahlen konnte.

Die Medien werden aufmerksam

Als sich die „Oldiethek“ in den 20 Jahren bis zu ihrer Schließung 2010 immer mehr zum Kult-Restaurant entwickelt, werden die Medien auf Horst Lichter aufmerksam, der WDR dreht einen ersten Beitrag – und entdeckt dabei sein Unterhaltungstalent. Dann geht die Post ab: Lichter wird ZDF-Koch, zunächst jeden Freitag in Johannes B. Kerners (57) „Kochshow“, dann in der Nachfolgesendung „Lanz kocht!“

Ab 2006 moderiert er elf Jahre an seiner Seite des Sternekochs Johann Lafer (64) die ZDF-Sendung „Lafer! Lichter! Lecker!“, er wirkt mit an der „Küchenschlacht“ und bei „Aber bitte mit Sahne“. Für den WDR ist er mit seinem Motorrad auf „Lichters Schnitzeljagd“ (sieben Staffeln mit bislang 29 Episoden), für das ZDF steht er am Grill („Deutschlands größte Grillshow“), schließlich landet er, ebenfalls im ZDF, einen Mega-Erfolg als Moderator von „Bares für Rares“ (seit 2013 acht Staffeln, über 1300 Folgen, Marktanteil circa. 25 Prozent). Dafür wird Lichter mit der Goldenen Kamera 2018 und dem Deutschen Fernsehpreis 2019 ausgezeichnet.

Verfilmung seiner Biografie

Damit nicht genug. Er schreibt auch, nicht nur Kochbücher. 2014 erscheint „Hier bin ich Mensch: Geschichten, die vom Leben erzählen“, im gleichen Jahr “ Wer hier klaut, stirbt: Horst Lichters Geschichten von tausendundeinem Leben“. 2016 kommt das Buch „Keine Zeit für Arschlöcher“ heraus, in dem Lichter über ein ernstes Thema schreibt: die Krebserkrankung seiner Mutter Margret.

Er schildert, wie er in sein Elternhaus in Rommerskirchen zurückkehrt, um seine sterbenskranke Mutter in ihren letzten Monaten zu begleiten. Dabei treffen zwei grundverschiedene Charaktere aufeinander: die barsche Mutter, die ein entbehrungsreichen Leben sehr bescheiden aber hartleibig gemacht hat – und der lebensfrohe Sohn. Sie sagt: „Sei kein Träumer, Horst, sieh nicht immer das Gute, wo nichts Gutes ist!“ Er: „Wenn ich das nicht tue, was gibt’s denn dann noch zu sehen, Mutter?“ Sie: „Die Realität!“

Das Buch wird mit dem „Originaltitel „Keine Zeit für Arschlöcher“ verfilmt und vom ZDF am vergangenen Sonntag zur Primetime gesendet. Horst Lichter wird in dem Melodram von Schauspieler Oliver Stokowski (59) gespielt. Dazu sagt Lichter in „Bild“: „Ich würde niemals mich selber spielen. Da wäre der ganze Film nicht mehr glaubhaft. Schauspieler ist ein gelernter Beruf. Ich kann Blödsinn machen, aber nicht schauspielern. Nicht jeder, der mit einer Gitarre fünf Leute am Lagerfeuer unterhalten kann, gibt ein Konzert.“

Lichters Lebensformel

Stokowski spielt überzeugend einen Horst Lichter, der dem Original selbst gefällt. Einen Mann, der dankbar ist für das, „was ich hatte, als dass ich böse dafür wäre, was ich verpassen würde. Wenn ich heute Abend im Bett einen Herzinfarkt bekomme und morgen nicht mehr aufstehe, würde ich sagen: ‚Danke für dieses großartige Leben.'“ (Lichter zu „Bild“).

Und er spielt einen Mann, der für sein Leben eine Formel gefunden hat, die jeder Mensch vollziehen kann, selbst in Zeiten, in denen der Begriff „Gutmensch“ als Abwertung gilt: „Gib das, was du gerne hättest. Höflichkeit, Freundlichkeit und Respekt möchte jeder Mensch. Erst dann hat man das Recht, es einzufordern. Wenn man das als Lebensgrundlage hat, kann nicht viel schiefgehen.“

(ln/spot)