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Gaby Köster wird 60: Eine Frau mit zwei Leben

Komikerin Gaby Köster wird am 2. Dezember 60 Jahre alt. Vor 13 Jahren sollte sich ihr Leben von einer Sekunde auf die nächste verändern.

Gaby Köster sieht ihre Zeit nach dem Schlaganfall als "zweite Chance".. © imago/Horst Galuschka
Gaby Köster sieht ihre Zeit nach dem Schlaganfall als "zweite Chance".. © imago/Horst Galuschka

Gaby Köster ist in Deutschland eine bekannte TV-Größe. Im Kölner Biotop der rheinischen Frohnaturen von RTL und WDR reüssierte sie als handzahmere Version ihrer Freundin Hella von Sinnen (62) und machte eine beachtliche Karriere als Schauspielerin, Komikerin und Kabarettistin. Diese Frau wird am 2. Dezember 60 Jahre alt.

Eigentlich handelt es sich um zwei Personen, die Gaby Köster heißen. Eine vor dem Januar 2008, die andere danach, denn „Gaby Köster ist nicht mehr Gaby Köster, als sie aus dem künstlichen Koma erwacht“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“. Die populäre Kölnerin hatte in jenem Januar 2008 einen schweren Schlaganfall erlitten.

Davor war sie die ebenso erfolgreiche wie populäre Comedy-Frau, die sich nach Auftritten im alternativen Karneval und im WDR in die erste Garde der RTL-Stars hochgearbeitet hatte. Sie gehörte zum festen Ensemble der TV-Show „7 Tage, 7 Köpfe“ von Rudi Carrell, sie hatte mit „Ritas Welt“ ihre eigene Comedy-Serie, war Star in Spielfilmen wie „Die Bullenbraut“, glänzte als Satirikerin in ihrem Solo-Programm „Die dümmste Praline der Welt“, wurde überhäuft mit Auszeichnungen und Preisen (Bambi, Deutscher Fernsehpreis, Adolf-Grimme-Preis).

Die „Queen of Comedy“ tourte gerade mit ihrem Bühnenprogramm „Wer Sahne will, muss Kühe schütteln“ durch Deutschland – als urplötzlich Schluss war mit allem. Tournee abgebrochen, Hauptdarstellerin erkrankt, der Rest Privatangelegenheit. So hieß es. Das laute, fröhliche Energiebündel Gaby Köster, Tochter eines Jazz-Musikers, war über Nacht verstummt.

Jahrelange Auszeit

Bis 2011 blieb sie „verschollen hinter einer Mauer des Schweigens“, wie „Focus.de“ es formulierte. Ihr Management teilte lediglich mit, dass man sich zu einem selbst gewählten Zeitpunkt äußern werde. Dann berichtete sie bei „Stern TV“ von ihrem „drissdrecksdrisseligen“ Schlaganfall und all dem „Driss“, der ihr seit 2008 widerfahren ist. „Driss“ sagen Kölner, wenn ihnen das „Sch“-Wort zu ordinär ist.

An diesem 9. Januar 2008 fühlte sich ihr linker Arm taub an, sie war nicht sonderlich beunruhigt, wer denkt schon mit 46 an Schlaganfall? Gaby Köster ging ins Bad – und fiel in Ohnmacht.

Später hatte sie im „Express“ rekonstruiert: „Ich hatte sehr viel gearbeitet und außerdem eine komische Allergie. Dadurch war mein Blutdruck im Keller, als Folge davon bin ich gestürzt. Ich fiel mit der Seite auf die Heizung, und die Halsschlagader wurde dabei abgeklemmt. Das löste den Schlaganfall aus, weil die Blutzufuhr nicht mehr stimmte.“ Ihre Mutter fand sie und rief den Notarzt. In ihrem Kopf war ein gefährliches Hirnödem entstanden, eine Not-OP rettete ihr Leben. Drei Wochen lag sie im künstlichen Koma.

Der Horror danach

Dann erwachte sie. „Es war Horror“, sagte sie 2011 in ihrem ersten Interview zu „Stern TV“. Zunächst habe sie gar nicht verstanden, was los ist. „Ich wollte immer aufstehen und irgendwo hin gehen, und dann kam eine Schwester rein und sagte: Mit gehen ist im Moment ganz schlecht.“ Ihre linke Körperhälfte war gelähmt.

Sie musste alles wieder lernen: sprechen, gehen, Auto fahren, weinen. Das Sprechen funktioniert wieder so gut, dass sie 2018 mit ihrem Solo-Programm „Sitcom“ auf Tournee ging. Gehen ist schon schwieriger, denn das linke Bein (und der linke Arm) sind taub und „ich bewege mich wie eine Stockpuppe“. Sie braucht dann fremde Hilfe, meist ist sie im Rollstuhl unterwegs. Autofahren geht tadellos, wenngleich sie sich oft über SUV-Fahrer ärgert, die mit ihren „riesigen Stadtförsterkutschen gleich zwei Behindertenparkplätze gleichzeitig blockieren“.

Das mit dem Weinen war auch schwierig, über zehn Jahre hatte sie keine Tränen. Da ging ihr Sohn Donald Köller (aus der geschiedenen Ehe mit dem Regisseur Thomas Köller) für neun Monate nach Argentinien. Als ihr „geliebtes Kind“ sie zum Abschied an sich drückte und anfing zu weinen, ging ihr das „direkt ins Herz. Als mich Donald dann auch noch fragte: Und was ist jetzt mit Weihnachten?, da hat es mich zerlegt… Ich hatte zehn Jahre nicht geheult, aber in diesem Augenblick sind alle Dämme gebrochen. Da gab es kein Halten mehr. Alle Tränen, die zehn Jahre nicht geflossen waren, strömten da aus mir heraus.“ So schilderte sie ihr wiedergefundenes Weinen dem Magazin „vivanty“.

Der beschwerliche Weg zurück

Sie hat sich wieder hochgearbeitet, weil“ aufgeben öde“ sei. Leidenszustände mag sie eben nicht. „Es passieren um einen herum auch viel zu schöne Dinge, um sich einzuspinnen und zu leiden, das ist Quatsch. Und es wird dadurch ja auch nicht besser.“

In einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ sagt sie sogar, dass die Gaby Köster nach dem Schlaganfall glücklicher sei als die davor, „weil ich viele Dinge anders mitbekomme, die ich früher nur im Vorbeischießen bemerkt habe“. Der alten gesunden Gaby würde sie gern zurufen: „Mach nicht so irre viel und genieß das Leben.“ Sie habe zu Zeiten von „Ritas Welt“ „vom Leben draußen nichts mitbekommen, außer bei der Heimfahrt nach dem Dreh“.

Auch sei sie früher nie stolz auf irgendwas gewesen, was sie gemacht hatte. „Aber ich bin irre stolz darauf, dass ich meine Finca in Ibiza halten konnte, trotz des ganzen Driss.“ Dieses „wunderschöne handgeklöppelte“ ibizenkische Bauernhaus ist ihr „Lebensmut-Generator. Sie gibt mir Kraft und Energie. Jeder Aufenthalt in diesem Haus schiebt mich nach vorne und macht mein Leben lebenswert“.

Mittlerweile hat sie drei Bücher geschrieben. Das erste „Ein Schnupfen hätte auch gereicht – meine zweite Chance“ wurde verfilmt, mit Anna Schudt (47) als Gaby Köster. Der Film wurde 2018 mit dem International Emmy Award ausgezeichnet. 2015 kam ihr erster Roman „Die Chefin“ heraus, die Geschichte einer Rocksängerin, die in Schieflage gerät. Und zuletzt erschien „Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede“, die Beschreibung ihres zweiten Lebens.

Freundschaften und eine Beziehung zerbrachen

Eine frühere Beziehung aus ihrem ersten Leben hat die Auswirkungen der Krankheit nicht überstanden. Sie sei „von den Ereignissen aufgefressen worden und mehr will ich dazu nicht sagen“, schreibt sie in ihrem ersten Buch. Ihr Humor hat ihr darüber hinweggeholfen. „Das und meine Mutter und mein Sohn und ein paar Freunde. Es haben sich auch Freunde in Luft aufgelöst. Aber das ist nicht schlimm, es kamen auch neue dazu. Die haben wohl gesehen, da kommt jetzt auch keine horrende Besserung, und damit kamen die nicht zurecht. Ist doch gut, dass sich das von selbst aussortiert.“

Sie hat versucht, via Dating-App Tinder neue Kontakte zu Männern zu knüpfen. „Das war Mega-Trash“, sagte sie im „Morgenpost“-Interview. „Viele wollten wohl nur mal einen Promi treffen… Ich treffe jetzt lieber Leute von ganz früher, die auch einiges hinter sich haben, das ist auch ganz amüsant. Ich suche nicht. Das ergibt sich irgendwann oder auch nicht. Ich bin ja so auch happy. Ich brauche zum Überleben kein Dreibein (Köster-Slang für „Mann“)… Wenn eine Beziehung, dann nur noch ambulant, keine stationären Patienten mehr. Zusammenleben könnte ich nicht mehr, ich bin auch viel zu chaotisch.“

Vor zwei Jahren hat sie tatsächlich einen „neuen Mann in meinem Leben“ vermeldet: Charlito – ein kleiner Hund aus Ibiza. Ein Leben ohne Männer kann sie sich vorstellen, ohne Hunde jedoch nicht, weil sie, frei nach Loriot, erkannt hat: „Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos.“

Gaby Köster wehrt sich gegen die Formulierung, sie habe sich ins Leben zurückgekämpft. „Kämpfen hat für mich immer was mit Gewalt zu tun. Mit Besiegen. Das will ich überhaupt nicht. Ich will es fließen lassen, ich bin mitgeschwommen mit dem Fluss. Ich mache einfach weiter. Wenn ich Pech habe, bleibt mein Zustand so, wie er ist, aber ich kann damit leben.“ 

(ln/spot)